DIE ORKLANDE
Mitnichten haben Orks leichtes Spiel, wagen sie sich einmal zu weit vor. Das karge Land erlaubt keine Überraschungen und der elfische Scharfsinn geht dem Übrigen nach. Die Grenzen sind seit jeher klar: Jenseits der Gebirgskette den Unseren, der Rest nicht. Viele Leben hat es erfordert, dem dragrischen Volk die Realität vorzuhalten, und noch mehr, ehe man sie annahm. Kriegsvernarrte Barbaren sind stolz auf ihr Wesen, in erster Linie, weil sie es nicht besser wissen, wenn man es aber genau betrachtet, der angeborenen Idiotie wegen. Solchen Geschöpfen einzutrichtern, ein Territorium sei unerreichbar, ist eine Kunst für sich. Die Konsequenz ist Kränkung der höchsten Sorte, dass schließlich der Schädelmeister alles in seiner Macht Stehende daransetzte, eine Armee historischen Ausmaßes aufzustellen, um der Welt das Gegenteil zu beweisen. Die orkische Rasse lässt sich nicht ungestraft bis an den Rand des Irdischen vertreiben. Ein Ork kämpft, ein Ork tötet, ein Ork erobert, ein Ork gewinnt. Als äußerste wie naheliegendste Bastion der antiorkischen Koalition ist Lyrindia bisweilen der größte Dorn im Auge. Die elfische Stadt einzunehmen und dort einen Fernposten aufzustellen wird einen geschichtsträchtigen Meilenstein darstellen, wie es ihn seit Generationen unserer Art nicht gab.
Auch, aber nicht allein deswegen, wurde mir die Pflicht zugetragen, den Angriff zu führen. Ich, Ph’rak, der vierte Eisen mit dem verachtenswerten Gedankengut und der göttlichen Stärke. Begrüßen wird man es, mich unter dem Deckmantel des Kriegsrufes aus dem eigenen Lande zu bringen, um als Vasall zu dienen und die Interessen Dragrs zu vertreten. Eine bindende Lebensaufgabe und gleichzeitig ein Versuch, den formidabelsten Krieger aus den eigenen Reihen an der langen Leine, aber mit Bestimmtheit auch ein Stück weit bei Laune zu halten. Denn wie sehr habe ich bloß auf diesen Augenblick warten müssen? Es ist eine Chance, eine unvergleichliche Gelegenheit für mich und mein Bestreben nach Etwas, das sich mir noch entziehen mag, wonach jede Faser, jeder Knochen, jeder Muskel und jede Zelle meines Selbst schreit, brüllt, förmlich greift. Die Vollkommenheit, oder ein Teil meiner Erfüllung liegt draußen, und Lyrindia wird der Anfang sein. Zehn Kapitäne, 100 Elite-Orks, 1.000 Krieger und nochmal so viele Goblins sind dem Eisenrang unterstellt. Im Austausch für die Möglichkeit der Übernahme des höhergestellten Knochentitels, gewährte man mir die absolute Gewalt über diese, dass keine Mühen gescheut werden, die Operation zu einem Erfolg zu machen. So stehen mehrere Hürden bevor, von der Zeit die Entscheidendste sein wird. Die offene Strecke nach Lyrindia ist eine Riskante für sich, und zehn Tagesmärsche sind viel, vor allem für einen Feind, der sich eingehend vorbereiten kann. Vergangenen Erzählungen zufolge ist die Grenzstadt als solche keine allzu nennenswerte Bedrohung, anders als die unbekannte Gefahr mächtigerer Verstärkungstrupps ihrer Inneren. Die Festung zu sichern, bevor der ungünstigste Fall eintritt, wird die wahre Herausforderung sein, möchte man meinen.
Doch nachdem die Schwelle des dritten Tages vor Erreichen der elfischen Hochburg überschritten und das erste Wirken geschulter Späheraugen vermutet wurde, war unlängst Eile geboten. Was Orks an Intelligenz fehlt, hat Urgh’xul der Physis zuteilwerden lassen, dass ein ausdauernder Lauf die Streitkraft binnen einer Nacht vor die Mauern des Stützpunktes brachte. In Schlachtreihe stehend, bereit, ein Massaker heraufzubeschwören, stampfen wütende Gebeine im Gleichtakt auf sorgsam hergerichtetem Grün, als Vorbote für das Kommende, dem herannahenden Grauen für hilflose Lyrindianer, einem Zeitalter des Blutes und des Verderbens, und dem ersten Kapitel im neuaufgelegten Buch der orkischen Rasse. Mit dem ersten Morgenlicht östlich des Schauplatzes, übertönt ein dumpferer Schlag den Lärm der Brigade; schneller, gewaltiger und fordernder, bringt er den Boden zum Erbeben, den umliegenden Fluss aus der Ruhe, die Vögel zur Flucht und mich in Rage. Staub fliegt in die Höhe, zieht eine Linie aus den hintersten Aufstellungen entlang der Bataillone vor, dass es sodann deutlich wird, der Sprint eines Einzelnen, dem Mächtigsten, dem nächsten Anführer und Herrscher über ganz Lyrindia, hin zum Tor, dass mit einem krachenden Schulterstoß in abertausende Einzelteilte zersprengt wird und dem kampfeswilligen Gefolge das Zeichen zum Einmarsch gibt.
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