Der Fluch des Goldes
Eckdaten:
2er RPG von Liliace und Jehanne
Genre: Mystery, Abenteuer, Drama, Romanze / Historisch an den Klondike-Goldrausch angelehnt
Trigger: FSK 18, sensible Themen wie Rassismus, Sexismus, Klassismus, Verwundung und Tod
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Things we lost
The things we couldn't share
Another rainbow's end
Another memory
Fortuna Favet Fortibus
Hold on to all that's dear to you
As the last sled to Dawson finally arrives*
Der eisige Nordwind stach wie tausend Nadeln in seinen angestrengt zusammengekniffenen Augen, als Samuel mit seinem Gespann in Dawson ankam. Schneeflocken tanzten in der kalten, klaren Winterluft, fielen auf seine schmalen, dick in silbrig glänzendes Robbenfell eingepackten Schultern und blieben im Fell seiner Hunde haften, die mit hängenden Zungen und aufgeregt hechelnd zum Stillstand kamen.
Auch dieses Mal war seine Suche am Klondike-River erfolgreich gewesen. Der Erfolg, die Jagd nach Gold, ja das pure Wissen, dass er erneut nicht an seinen selbst gesteckten Zielen gescheitert war - und dies trotz des furchtbaren Wetters, das die Goldsuche gefährlich machte - beflügelte stets für ein paar Tage seinen Geist. Doch dann befiel Samuel eine innere Unruhe, der selbst Amarok, sein immer sanftmütiger und ruhiger Leithund, sich nicht entziehen konnte. Es trieb ihn aus seinem spartanisch eingerichteten Haus in Dawson wieder zurück in die Wildnis, dorthin, wo es neben Gold nichts als endlose Weite gab. Stille Wälder, die sich hügelig in die Ferne erstreckten, von Raureif bedeckte Tannen und ein von funkelnden Sternen erleuchteter Himmel, durchdrungen von der geheimnisvoll schimmernden Aurora Borealis. Sam fand Gefallen an Musik, an Kunst, doch kein Mensch konnte jemals die Schönheit und die Wunder erschaffen, zu denen die Natur in der Lage war. Nichts erfüllte ihn mit so viel Ehrfurcht, wie eine Herde Karibus, deren Fell von Eis glänzte und aus deren Nüstern weißer Atem stob, während sie in der Winterlandschaft an ihm und seinem Schlitten vorbeigezogen.
Während er seine Hunde von ihrem Geschirr befreite und auf sein Grundstück entließ, konnte er die lärmende Enge der Straßen Dawsons bereits in seinen kalten, tauben Gliedern fühlen. Wie üblich kümmerte er sich zuerst um seine Tiere - schließlich waren sie es auch, die ihn jedes Mal aufs Neue sicher durch die Wildnis begleiteten. Er befreite ihre Pfoten von Eis und Schmutz, untersuchte sie auf kleinere Verletzungen und heizte seine Hütte an, damit sie sich aufwärmen konnten. Amarok und Zephyr waren jedes Mal aufs Neue dankbar für die Prozedur. Im Grunde genommen genossen es alle Hunde, dass er sich kümmerte - bis auf Puk und Figaro. Puk konnte es gar nicht erwarten, seine Wohnung mit weit aufgerissenem Maul und wahnsinnigem Blick zu zerlegen, während Figaro sich laut jaulend über die ihm zukommende Fürsorge beschwerte. Am Ende beschloss Sam, die beiden Quälgeister anzuleinen und sie mit ins Stadtzentrum zu nehmen, bevor seine Nachbarn ihm wieder unterstellten, dass er Figaro quälte oder dass Puk angeblich an Tollwut litt …
Doch bevor er seinen neuen Claim ordnungsgemäß anmeldete, würde er sich zuerst einen heißen Kaffee und einen Teller Bohnen gönnen. Mit Puk und Figaro im Schlepptau spazierte er geradewegs in die “River Rat Bar”. Die hölzerne Tür des verwitterten Gebäudes knarrte ekelerregend, als er sie öffnete und sich sogleich einen wackeligen Tisch fernab von der Gesellschaft der anderen Goldgräber und der Bürger Dawsons suchte. Einige warfen Puk und Figaro missbilligende Blicke zu, doch Samuel hatte schon vor ein paar Jahren jegliche Kritik an seinen Hunden im Keim erstickt. Noch heute trug man ihm seinen spitzzüngigen Kommentar nach, dass seine Hunde garantiert weniger Krankheiten einschleppten, als alle Goldgräber zusammen, die auf der Suche nach Liebesabenteuern die Bars und Bordelle abklapperten.
Samuel entledigte sich seines schweren Mantels, den er zum Trocknen über seinen Stuhl nahe des Kamins hängte und befreite sein Gesicht von den Stofflagen. Zum Vorschein kamen jungenhafte, aber verhärtete Züge und ein zerzauster Schopf hellbraunen Haares, das ihm nass in die Stirn hing. Der Wirt, Richard Thomkins, eilte herbei und sagte mit seiner Fistelstimme: “Das Übliche, Sam?”, woraufhin Sam ihm leise und knapp antwortete: “Ganz Recht. Und Richard? Vergiss’ dieses Mal meine Hunde nicht. Andernfalls frisst dich Puk und er täte noch nicht einmal Unrecht damit!”
Wie auf Kommando legte der Husky seinen schmalen, schwarz-weißen Kopf schief und starrte Richard aus eisblauen, gemein flackernden Augen herausfordernd an. Der Wirt eilte davon, um Sam seinen Kaffee und seine Bohnen zu bringen, während Sam sich kaum merklich diabolisch lächelnd seinem Hund zuwandte und sich von dem Rowdy in seinem Rudel das Gesicht ablecken ließ. Richard gehörte zu jenen, die sich ihm gegenüber immer korrekt verhielten, aber hinter seinem Rücken gerne die wildesten Gerüchte streuten. Da konnte es nicht Schaden, den Mann in dem Glauben zu lassen, er sei tatsächlich mehr Hund als Mensch.
Der Musher hatte noch immer ein wölfisches Grinsen im Gesicht, als der Wirt ihm das Gewünschte brachte und mit wachsamen Blick auf Puk den Hunden Fleisch vor die Nasen stellte. Figaro machte sich glücklich fiepend über die Beute her und Samuel trug bald seinen üblichen, ernsten Gesichtsausdruck zur Schau, während er hungrig seine Bohnen in sich hineinschaufelte. Geduld hatte er beim Essen noch immer nicht, wusste er doch zu gut, wie sich nagender Hunger anfühlte. Er beobachtete die Gäste mit wachsamen Blick, behielt die klapprige Tür stets im Auge. Er konnte nie wissen, wer ihn heimsuchte, um Streit anzufangen - oder wer sich ihm mal wieder bei seinen Suchen anschließen wollte. Da war es immer gut, vorbereitet zu sein.
* The last sled - Tuomas Holopainen