• Ferit entfuhr ein amüsiertes Schnauben, als Gareth ihm die Tür des Taxis aufhielt. Er stieß sich prompt den Kopf beim Einsteigen und ließ sich ungelenk auf die Rückbank fallen, während er sich noch immer etwas verkrampft an der glänzenden Broschüre festklammerte. Was der Zirkusartist sagte, klang einleuchtend und ging gleichzeitig doch gegen alles, was er bislang in seinem Leben gelernt hatte. Er seufzte, ließ die Broschüre sinken und lehnte seinen brummenden Kopf an Gareths Schulter. Sein Misstrauen, das er gerne jedem gegenüber zeigte, den er nicht ganz genau kannte, war nicht ganz verschwunden - es war vielmehr so, dass er bei Gareth von Anfang an nicht das beklemmende Gefühl gehabt hatte, übermäßig vorsichtig sein zu müssen, bei allem, was er sagte oder tat. Der junge Mann hatte ihm nie das Gefühl gegeben, in irgendeiner Form unerwünscht zu sein oder dass er plötzlich aufgrund seines Namens, seines Aussehens mit vorurteilsbehafteten Beurteilungen und bohrenden Fragen würde kämpfen müssen.

    “Wahrscheinlich hast du Recht”, räumte Ferit ein, während er gedankenverloren nach Gareths Haaren griff und eine der weichen, feinen Strähnen sanft durch seine Finger gleiten ließ.
    “Also … dann sage ich, ich spring’ und du springst mit, ja? Und wir hoffen gemeinsam, dass uns das Schicksal auffängt - was auch immer dieses Schicksal sein soll.”
    Er drehte den Kopf ein wenig, um Gareth ins Gesicht sehen zu können. Hinter ihm blitzten und blinkten Las Vegas’ Neonreklamen, während der Taxifahrer sie sicher durch die nächtliche Stadt chauffierte.
    “Ich frage besser gar nicht wegen der Hexen, die du kennst, oder? Aber … welche Comics sammelst du? Nicht, dass ich mich damit auskennen würde …”
    Ferit löste seine Finger aus Gareths Haaren und ließ seine Hand langsam sinken, so, als ob sie gerade ohne sein Zutun gehandelt hätte. Er starrte die im Neonlicht glänzenden Strähnen noch eine kleine Weile an, schluckte schwer und war versucht, sich mit brennenden Wangen abzuwenden. Doch im Endeffekt entschied er sich dafür, Gareths verschmitzten Blick standzuhalten. Er grinste, erhob mahnend einen Zeigefinger und fuchtelte damit vor Gars Nase herum: “Hey, das ist kein Krach, das ist Kunst. Und ich bin bereit, es krachen zu lassen. Ich soll doch springen und mein Schicksal herausfordern, oder?”
    Das Taxi kam mit einem kleinen Ruck zum Stehen, der Ferit aus seiner Trance herausriss. Er wandte sich kurz von seinem neuen Freund ab und kramte seine Kreditkarte hervor, um den Betrag auf dem Taxameter zu bezahlen.
    “Danke, Kutscher! Sattel die Pferde!”, verabschiedete er sich winkend und schwankend von dem Fahrer, der ihnen mit einem nachsichtigen Kopfschütteln viel Spaß wünschte. Ferit griff sogleich wieder nach Gareths Hand und zog ihn in Richtung des “Triple Down”.

    “Das Museum hat leider schon geschlossen”, murmelte er undeutlich und reihte sich mit Gar in die Schlange vor dem Club ein.
    “Du bist übrigens auch ziemlich großartig - aber das weißt du, oder?”, fragte er ihn mit einem treuherzigen Funkeln in den Augen. Die kleine Menschenmenge vor ihnen setzte sich aufgeregt schnatternd in Bewegung und Ferit bewunderte die kunstvoll aufgestellten, bunten Haarzacken der Dame vor ihm, sowie die Nieten, die sie in ihrer Lederjacke trug. Einmal mehr kam er sich underdressed vor - aber immerhin fiel er farblich nicht aus der Reihe. Er lehnte sich gegen Gars Schulter, musterte das Gebäude, das auf kunstvolle Art etwas heruntergekommen wirkte und schlug vor: “Wenn du mir noch einen schrecklich süßen Cocktail besorgst, blamiere ich mich beim Tanzen, okay? Extra für dich, weil du …”
    Ferit sah Gareth tief in die Augen und fuhr fort: “ … schöne Augen und weiche Haare hast. Oder du lässt mich an deiner großen Weisheit und deiner … hmm … deiner Welterfahrung teilnehmen und zeigst mir, wie das geht - ganz ohne Zaubertricks.”
    Die Schlange setzte sich erneut in Bewegung und Ferit schlenderte entspannt mit. Allmählich begann er, Gareth zu glauben. Vielleicht waren sie zusammen unbesiegbar und keiner würde ihnen Grenzen aufzeigen oder mit ihnen mithalten können. Und vielleicht, nur vielleicht … würde es für ihn nicht in einer Katastrophe enden, wenn er seinen Begleiter weiter versuchte, so subtil wie eine Dampfwalze anzuflirten. Denn das war es, was er gerade versuchte. Und solange er sich weiterhin schön luftig leicht fühlte, bereit, alles, was ihn einschränkte, über Bord zu werfen, würde er sich dessen nicht schämen müssen.

    Permets-tu?

    Einmal editiert, zuletzt von Jehanne (4. Januar 2025 um 21:50)