[Vegas Baby!]
What happens in Vegas stays in Vegas!
Eine wilde Nacht beginnt in der Stadt die niemals schläft, in der weder der Alkohol noch der Spaß zu kurz kommt.
Wie genau es zu Stande kam, das Gareth und Ferit am nächsten Morgen in ein und dem selben Bett erwachen ist und bleibt wohl das Geheimnis von Vegas, aber viel wichtiger ist ohnehin die Frage: Was macht der Ehering an ihren Ringfingern?!
Gareth hat nicht den Hauch einer Ahnung was in der letzten Nacht alles passiert ist und auch Ferit gibt sich ahnungslos.
Gar jedenfalls reist Hals über Kopf mit seinen Freunden ab, allerdings so eilig, das er nicht daran dachte die Ehe mit Ferit zu annullieren ...
!!! TRIGGER !!!
FSK18, Drogenkonsum/ -missbrauch, körperliche-, seelische- und/oder sexualisierte Gewalt, Rassismus, Sexismus, Homo-/Inter-/Transfeindlichkeit, Ableismus, Schimpfwörter, ...
ECKPUNKTE:
» 2er RPG
» Zeit: 2024
» Ort: USA
» Schreibstil: 3. Person | Präteritum
» Genre: Love/ Komödie/ Drama/ Action
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CHARAKTERLISTE:
Gareth Wesley (FoxFur)
Ferit Meral (Jehanne)
Vegas Baby!
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Freitag, 17. Mai 2024
Gareth und seine drei besten Freunde – Thomas, Henry und Daniel – betraten das berühmte Flamingo Hotel in Las Vegas, und schon beim ersten Schritt durch die Drehtür spürten sie die besondere Atmosphäre dieses Ortes. Die Lobby des Flamingo strahlte den Charme der alten Schule aus, mit einem Hauch von Retro-Glamour, der sie sofort in den Bann zog. Überall glitzernde Kronleuchter, glänzende Marmorböden und ein großes Aquarium, das den Mittelpunkt der Lobby bildete. Für Gareth und seine Freunde war dies der perfekte Start in ein unvergessliches Abenteuer.
Gareth, der wie immer voller Energie und guter Laune war, führte die Gruppe zur Rezeption. Mit seinem schiefen Lächeln und den funkelnden Augen sah er den Rezeptionisten freundlich an, während er das Einchecken übernahm. Thomas, der ruhiger und etwas ernster war, stand neben ihm und überprüfte die Reservierungsdetails auf seinem Handy, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung war. Henry, der immer für einen guten Witz zu haben war, konnte es sich nicht verkneifen, einen Kommentar über die kitschige Dekoration des Hotels zu machen, was die Gruppe zum Lachen brachte. Daniel, der ruhigste der vier, beobachtete das Geschehen mit einem sanften Lächeln, bereit, in die Szenerie einzutauchen und einfach den Moment zu genießen.
Der Rezeptionist, sichtlich angetan von der sympathischen und lebhaften Gruppe, begrüßte sie herzlich und fragte nach ihren Reservierungen. Gareth, der sich wie immer nicht lange mit Formalitäten aufhielt, gab locker die Namen durch, während er mit Henry über das riesige Aquarium scherzte. Nachdem die Formalitäten geklärt waren, überreichte der Rezeptionist den vier Freunden die Zimmerschlüssel. Gareth nahm die Karten mit einem dankbaren Nicken entgegen, während Thomas, der Organisierte der Gruppe, die Zimmernummern im Kopf speicherte.
"Hier sind die Schlüssel für unsere 'Suite mit Blick auf den Strip', Jungs.", sagte Gareth und reichte jedem seiner Freunde einen Schlüssel. "Wir sollten zuerst die Zimmer inspizieren und uns dann ins Abenteuer stürzen!" Henry und Daniel stimmten begeistert zu, während Thomas nur mit einem zufriedenen Grinsen nickte.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Aufzug. Der Weg dorthin war erfüllt von Gelächter und Gesprächen über die bevorstehenden Pläne. Gar konnte es kaum erwarten, das pulsierende Nachtleben der Stadt zu erkunden, während Henry schon Pläne schmiedete, wie sie den Abend am besten in einem der berühmten Casinos verbringen könnten. Daniel schlug vor, sich vor allem den legendären Poolbereich des Hotels anzusehen – ein Gedanke, der bei allen gut ankam.
Als sie den Aufzug erreichten, drückte Gareth den Knopf für ihre Etage und lehnte sich dann lässig an die Wand des Aufzugs. "Lasst uns dieses Wochenende zu einem der besten machen, die wir je hatten.", sagte er mit einem breiten Grinsen. Die anderen nickten zustimmend, die Vorfreude auf die kommenden Tage war ihnen ins Gesicht geschrieben. -
Freitag, 17. Mai 2024, zu fortgeschrittener Stunde
Seine bisherige Reise war anstrengend, aber bislang doch recht erfolgreich gewesen, befand Ferit. Seit einigen Wochen zog er mit einer kleinen Truppe von vier Leuten von Ort zu Ort. Mal mussten sie das Flugzeug nutzen, mal die öffentlichen Verkehrsmittel und zu Beginn hatten sie sich einfach alle in Graces klappriges, von kupferfarbenen Rostblumen übersätes Auto gequetscht. Was sie wohl alle verband, war, dass sie von ihrem bisherigen Leben auf die ein oder andere Art die Schnauze voll hatten und dringend etwas Neues sehen wollten.Momentan durchquerte Ferit jedenfalls mit seinen neu gewonnenen Freunden Bugsy’s Bar in Las Vegas und fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben vollkommen frei. Er war direkt in eine glitzernde, von neonfarbenen Leuchtreklamen und Lärm durchzogene Welt entführt worden, fühlte sich völlig überwältigt und trotzdem so gut wie schon lange nicht mehr. Ob es daran lag, dass Matthew - nach Grace mit seinen zweiundfünfzig Jahren der Zweitälteste der Truppe - ihm ständig irgendwelche bunten, herrlich süß schmeckenden Drinks bestellte, das wusste er nicht so genau. Sein Kopf jedenfalls fühlte sich angenehm schwindelig und wie in weiche Watte gepackt an, ja, sein gesamter Körper schien so leicht wie eine Feder zu sein. Statt seines sonst eher finsteren Gesichtsausdrucks trug er ein herzliches, fast schon seelig glückliches Lächeln im Gesicht, während er Grace und Matthew leicht schwankend zur Bar folgte. Nichts schien ihm noch großartig Sorgen zu bereiten. Seit ein paar Stunden interessierten ihn weder die von ihm ignorierten Nachrichten seiner Eltern, die ihm sein Handy mit mahnendem Piepsen ankündigte, noch die Tatsache, dass er weniger schick und ordentlich angezogen war als die meisten Barbesucher.
Ferit ließ sich neben Grace schwer auf einen Hocker plumpsen, zog seinen Hut ab und fuhr sich durch seine wilden, leicht verschwitzten Locken. Es war ein vergeblicher Versuch, etwas Ordnung hineinzubringen, der Grace zum Kichern brachte.
“Na, Kleiner, bereust du es schon, dass du dich uns angeschlossen hast? Oder schmeckt dir das bisschen Unabhängigkeit, das du bislang kosten konntest?”
Ferit grinste sie an, lehnte sich vor und versuchte etwas undeutlich gegen die lauter werdende Musik anzubrüllen:
“Auf keinen Fall … wo sind eigentlich Max und Claire?” Suchend sah er sich nach den beiden Abtrünnigen um. Max war ungefähr in seinem Alter, aber Ferit hatte trotzdem kaum etwas gemeinsam mit ihm, sah man mal von seinem Musikgeschmack ab. Er redete allerdings wie ein Wasserfall, wofür der frisch gebackene Weltenbummler manchmal sehr dankbar war. Claire hingegen war so still, dass es fast schon unheimlich war. Sie schien ihren stets kirschrot angemalten Mund nur zu öffnen, um irgendeine Boshaftigkeit loszuwerden, die trotzdem alle meistens lustig fanden.
Grace zuckte mit ihren hageren Schultern, wandte ihm ihr freundliches, von Fältchen durchzogenes Gesicht zu und gab ihm einen Klaps auf die Schulter:
“Weiß der Geier, wahrscheinlich alleine weitergezogen. Was soll’s, wir werden sie wieder im Hotel finden. Du hast doch vor, neue Freunde zu finden, oder? Auf geht’s, oder willst du den ganzen Abend mit einer alten Schachtel wie mir verbringen?”
“Du bist keine …”, begann Ferit wie auf Knopfdruck und blinzelte Grace mit treuherzigem Dackelblick an, bereit, ihr blumige Komplimente an den Kopf zu werfen. Aber diese schnitt ihm das Wort ab, während Matthew wild zu gestikulieren begann, um den Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen.
“Schmeichler”, schnaubte sie bloß und gab dem jungen Mann einen kleinen Schubs, der ihn vom Barhocker in die Menge beförderte. Unter normalen Umständen hätte Ferit ihr dafür ordentlich die Meinung gegeigt. Aber Matthews süße Drinks milderten offenbar sein Temperament und so rückte Ferit seine Brille zurecht, stolperte gut gelaunt durch die Menge und zog seinen Hut vor wildfremden Leuten. Letztendlich entschloss er sich dazu, einer - wie er fand sympathisch aussehenden Gruppe von jungen Männern - ein enthusiastisches “Hallooo, wie geht’s?” entgegen zu rufen und dabei über’s ganze Gesicht zu strahlen. Menschen waren schließlich wundervolle Geschöpfe, ja, fast so toll wie Katzen und heute wollte er mehr davon kennenlernen. Und er fühlte sich ausnahmsweise einmal extraordinär gut und selbstbewusst - warum also sollte er die Gelegenheit nicht beim Schopfe packen?
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Gareth blickte sich um, als er die Stimme eines wildfremden Typen vernahm, der enthusiastisch ein "Hallooo, wie geht’s?" in die Runde rief. Der junge Mann trug einen Hut und sah aus, als hätte er die besten Drinks seines Lebens hinter sich. Gareth musste lachen – das war definitiv die Art von Energie, die er in Las Vegas erwartete.
"Hey, Mann! Läuft bei dir!", rief Gareth zurück und grinste dabei sein typisches schiefen Lächeln. Er war immer bereit für neue Bekanntschaften, vor allem, wenn jemand so ausgelassen auf ihn zukam. "Bist du auch neu hier oder schon 'ne Weile unterwegs?", fügte er hinzu und musterte den Fremden neugierig. Neben ihm tauchten Henry und Daniel auf, beide mit breitem Grinsen im Gesicht, bereit, den Moment aufzusaugen. Thomas war wohl irgendwo mit seinem Handy beschäftigt, wie üblich. "Sieht aus, als hättest du schon ein paar Drinks zu dir genommen, oder?", lachte Henry, während er den Neuankömmling freundlich musterte. "Aber hey, das hier ist Vegas – genau der richtige Ort dafür!", entgegnete Gareth, als wollte er den jungen Mann in Schutz nehmen und Daniel nickte zustimmend.
"Komm, schließ dich uns an.", sagte Gareth, während er den Typen einladend musterte. "Wir sind hier, um die Stadt unsicher zu machen – keine festen Pläne, nur Spaß und Abenteuer. Genau das, was man hier braucht!" Es war typisch für Gareth, sich offen auf neue Leute einzulassen und sie auch gleich einzuladen. Er liebte die Vielfalt und die vielen unterschiedlichen Charaktere, die man hier treffen konnte. "Mit wem bist du hier, die können auch gerne mitkommen.", sagte er dann noch schnell, da er nicht wirklich davon ausging, dass man diese Stadt alleine besuchte. Auch wenn man es natürlich nie wissen konnte.
"Du kannst uns ja ein paar Tipps geben, wenn du schon länger hier bist", schlug Gareth augenzwinkernd vor, während er dem Fremden freundlich auf den Rücken klopfte. "Ooooder wir machen einfach gemeinsam das, was Vegas am besten kann – uns überraschen lassen!" Er hob seine Bierflasche um dem Fremden zuzuprosten. "Ich bin übrigens Gareth." -
Ferit konnte förmlich fühlen, wie sich sein Mund zu einem breiten, unbeschwerten Grinsen verzog. Seine große, etwas schiefe Nase bog sich dabei mit und es erschienen unzählige Lachfältchen um seine dunkelbraunen Augen, während er den jungen Mann vor sich vertrauensselig anstrahlte. Normal war dieses Verhalten für ihn nicht. Hätten Matthews süße Drinks ihm nicht schon gehörig den Verstand vernebelt, so würde er vermutlich immer noch stocksteif und misstrauisch an der Bar hocken, bereit, jeden in Grund und Boden zu starren, der es wagte, ihn auch nur schief anzusehen. Aber so … so erschien ihm der Fremde, der ihn gerade ansprach, wie der freundlichste Mensch auf der ganzen Welt. Noch nicht einmal die Vorurteile seiner Eltern, die er zwei Jahrzehnte gegenüber tätowierten Menschen im Allgemeinen und langhaarigen Männern im Besonderen eingebläut bekommen hatte, konnten sein alkoholisiertes Gehirn von dieser gerade so eben gefassten Meinung abbringen.
“Hmm, hmm … ich bin heute angekommen! Ihr auch?”, sagte Ferit mit seiner tiefen, etwas heiseren Stimme und stellte mit Erstaunen fest, dass es gar nicht so einfach war, diese Worte auszusprechen. Seine Mundmotorik schien wohl ebenso träge geworden zu sein wie seine Beine … Er zog seinen Hut abermals übertrieben höflich vor seinen neuen Bekanntschaften und gab sogleich weiter bereitwillig Auskunft:
“Oh ja … Matthew hat mir Drinks bestellt. Sie sahen wunderschön aus, wie ein Sonnenaufgang über dem Meer bei klarer Brise”, seufzte Ferit verzückt und wäre er noch halbwegs nüchtern gewesen, hätte er sich wohl für seinen peinlichen pseudo poetischen Ausbruch geschämt. Doch anstatt rot anzulaufen, hakte er sich bei dem langhaarigen Kerl unter und rief recht undeutlich, aber begeistert:
“Ich bin für jedes Abenteuer bereit und für jeden Spaß zu haben - aber … aber sag’ das keinem, hörst du?”, fügte er bedeutend leiser hinzu und kicherte albern. Vermutlich ergab das, was er gerade von sich gab, nicht allzu viel Sinn, aber Ferit verstand sich selbst prächtig. “Sag’ es keinem!”, hieß in aller Regel so viel wie: “Sag’ es niemals meinem Vater, oder er reißt mir den Kopf ab!” Aber das war selbst ihm am heutigen Abend nur halbwegs bewusst.
Er wies mit einer dramatischen Geste in Richtung Bar und wollte so eben kundtun, dass seine Leute sich dort am liebsten aufhielten, als er feststellte, dass wohl auch Grace und Matthew es vorgezogen hatten, sich unters Volk zu mischen.
“Meine Leute sind … Ah, siehst du das? Sie sind geflüchtet! Alle. Sogar Grace. Abtrünnige!”, stellte er halb erbost und halb entsetzt fest, während er Gareth - als solcher hatte sich der junge Mann jedenfalls vorgestellt - mit waidwundem Rehblick alarmiert anstarrte.
“Ich komme mit euch!”, entschied der junge Weltenbummler schnell, während er noch einmal kurz den Hals verrenkte, um sicherzugehen, dass auch Max und Claire wirklich nicht wieder aufgetaucht waren. Doch auch sie blieben verschollen. Aber was hatte Grace gesagt? Spätestens morgen im Hotel würden sie sich alle wieder treffen. Nur nicht den Mut verlieren! Er klopfte Gareth ebenfalls auf den Rücken, vielleicht etwas zu fest, und beschloss, sich gleichermaßen vorzustellen - nur eben etwas förmlicher:
“Ferit, Ferit Meral. Schön, euch kennenzulernen.” Der junge Mann sah in die Runde und kramte dann eifrig in der Brusttasche seines kurzärmeligen, schwarzen Hemdes. Ferit förderte eine verknickte Infobroschüre zutage. Schließlich war er immer gut informiert und vorbereitet - nur heute Abend fiel ihm die Organisation zugegebenermaßen schwer.
“Claire hat gesagt, im Jaburritos gibt es gutes Essen und genauso gute Getränke - nur, falls ihr Hunger habt”, warf er schnell ein. Ferit konnte nicht verleugnen, dass er praktisch am Verhungern war, und im Gegensatz zu sonst verspürte er dieses Mal sogar ein nagendes Gefühl in der Magengrube, das er wohl nicht nur mit Süßkram und zuckrigen Drinks ausschalten konnte.
“Oder wir sind einfach spontan!”, stimmte er Gareth letztendlich zu und wollte ebenfalls sein Getränk heben, stellte jedoch fest, dass er keines mehr hatte. Ferit lachte kurz schnaubend über sich selbst und fuchtelte nutzlos mit seinem Arm herum, den er sehr zu seinem Entsetzen Claire ins Gesicht drosch. Sie war unvermittelt hinter ihm aufgetaucht, den schmalschultrigen Max im Schlepptau. Ferit setzte gerade dazu an, sich wortreich und händeringend zu entschuldigen, doch Claire unterbrach ihn barsch:
“Küken! Warum wundert es mich nicht, dich in kompromittierender Lage vorzufinden. Wie viel hattest du zu trinken, hm?”, schimpfte sie spöttisch, mit sorgfältig kaschierter Freundlichkeit, während sie sich die weiß geschminkte Wange rieb. Sie nickte den anderen geradezu hoheitsvoll zu und Max warf mit heller Stimme ein enthusiastisches “Hi!” in die Runde.
“Claire! Man muss viel trinken, sonst trocknet man aus. Aman Allahim, weißt du das denn nicht? ”, verteidigte sich besagtes Küken und fasste sie prompt am Handgelenk - nur wohin er mit ihr wollte, das wusste er selbst nicht so genau. “So, jetzt ziehen wir in die Schlacht, los, los. Sag’ hallo zu Gareth und …” Ferit verengte seine großen, dunklen Augen zu Schlitzen und starrte Gareths Freunde etwas überfordert an.
“Wie heißt ihr eigentlich?”, fragte er ehrlich interessiert, ließ Claires Handgelenk wieder los und wippte auf den Fußballen auf und ab, während er neugierig auf Antworten wartete. Max hatte es indes als seine Pflicht angesehen, seine neuen Bekanntschaften ein wenig über ihn aufzuklären. Jedenfalls konnte er hören, wie er dem Typen, der ihn wegen seiner Drinks aufgezogen hatte, ungefragt und unnötig geräuschvoll Details zu seinem Leben mitteilte. Es fielen Worte wie “strenges, religiöses Elternhaus”, “Freiheitsdrang” und - das war am schlimmsten - “unschuldig und total naiv”.
Ferit zog eine lächerliche Grimasse, stellte sich auf die Zehenspitzen und raunte Gareth ins Ohr: “Beachte ihn nicht! Er redet viel, wenn der Tag lang ist. Jaburritos?”, fragte er hoffnungsvoll, fasste seinen neuen Freund am Ellenbogen und zog ihn sanft und etwas unstet auf den Beinen Richtung Ausgang.
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Gareth lachte laut, als Ferit mit seiner poetisch-dramatischen Art über die Drinks und seine abtrünnigen Freunde philosophierte. Dieser Typ war definitiv ein Original – und genau die Art von Mensch, die Gareth liebte. Offen, ehrlich, und ganz offensichtlich schon ordentlich einen sitzen. Doch anstatt Ferit mit weiteren Fragen zu bombardieren, ließ er ihn einfach reden, weil es so unglaublich unterhaltsam war.
Henry und Daniel schauten sich amüsiert an und folgten interessiert dem Gespräch der beiden Anderen. "Oh Mann, das wird ein wilder Abend.", meinte Henry schmunzelnd, während Daniel nur nickte und sich nach den restlichen Leuten umsah, die Ferit erwähnt hatte.Claire und Max traten zu ihnen, und Gareth begrüßte sie mit einem breiten Lächeln. "Hey, schön, euch kennenzulernen! Ich bin Gareth, und das sind Henry und Daniel. Thomas ist irgendwo ... wahrscheinlich am Handy.", der Running Gag der Gruppe "aber den finden wir schon noch." Und selbst wenn nicht ... Thomas war erwachsen und eh lieber allein unterwegs. Er würde es überleben, wenn sie sich erst morgen wieder sähen.
Er hob die Hand zum Gruß, während er die beiden Neuankömmlinge neugierig musterte. Claire wirkte bestimmt und tough, während Max eher der quirlige Typ war, der alles Mögliche möglichst laut über Ferit zum Besten gab. Es war die perfekte Mischung für einen Abend voller Chaos und Spaß.Gar grinste, als Ferit meinte, dass er nicht auf Max hören sollte. "Keine Sorge, Ferit – Wir sorgen schon dafür, dass du jede einzelne Minute dieses abends bereuen wirst.“, meinte er und schlang einen Arm um Ferits Hüfte. Er spürte, wie Ferit ihn fast schon ungeduldig weiterziehen wollte, als ob er keine Sekunde länger in der aktuellen Lokalität aushalten könnte.
"Okay, Leute, lasst uns das Abenteuer starten!", rief Gareth und hob seine Bierflasche noch einmal zum Prost. "Aber denkt dran: Vegas überrascht uns sowieso ständig – also, wer weiß, wo wir am Ende landen werden!", lachte Gareth und schüttelte leicht den Kopf, als Ferit ihn am Arm packte und Richtung Ausgang zog. "Aber hey – bei uns bist du in besten Händen. Wir machen heute die Stadt unsicher, und das schließt gutes Essen definitiv mit ein. Und das Jaburritos klingt nach einem verdammt guten Plan, von dem Laden habe ich auch schon gehört!"
Mit einem letzten Lachen ließ sich Gareth von Ferit in die Stadt ziehen, während der Rest der Gruppe ihnen folgte. Es war der perfekte Start in einen Abend, der voller unvorhersehbarer Wendungen stecken würde – und genau das war es, was Gareth in Las Vegas am meisten liebte.
Wie dieser chaotische Haufen jemals einen Plan auf die Reihe bekommen sollte war ziemlich fragwürdig. Doch genau das war der Punkt – es gab keinen Plan. Und das machte es in Gars Augen nur noch besser.Die Nacht war von all den Neonlichtern hell erleuchtet, dass es fast den Anschein erweckte, als wäre helllichter Tag. Ein Blick in den Himmel verriet einem jedoch, dass der Mond bereits hoch am Firmament stand. Sobald sie auf die Straßen von Las Vegas traten, prallte ihnen sofort der Trubel entgegen. Menschenmassen strömten an ihnen vorbei, als wären sie auf einer permanenten Party. Leuchtende Neonlichter in allen erdenklichen Farben flackerten an den Fassaden der Casinos, während gigantische Werbebanner versuchten, sie in die nächste Show oder das nächste Spiel zu locken. Ein Elvis-Double tanzte am Straßenrand mit einem Mann in einem pinken Hasenkostüm, als wären sie die besten Freunde, und ein Typ auf Stelzen jonglierte mit leuchtenden Bällen über einer Traube Touristen, die begeistert zusahen.
"Oh, und schau dir das an!", stieß Gareth aus und blieb abrupt blieb stehen, packte Ferit am Arm und deutete auf eine glitzernde Stretch-Limousine, der wie aus einer anderen Galaxie direkt vor ihnen parkte. "Den sollten wir uns auf jeden Fall für später mieten! Passt perfekt zu uns – völlig übertrieben, ein bisschen absurd, aber irgendwie doch cool.", stellte gar fest und grinste breit, während er einen Schluck von seinem Bier nahm.
'Das oder wir kapern den pinken Hasen.', schaltete sich Henry ein und wackelte mit den Augenbrauen, was die Gruppe in schallendes Gelächter ausbrechen ließ.
'Sei vorsichtig, Henry, der Hase sieht aus, als hätte er heute schon einen zu viel hinter den Löffeln.', entgegnete Daniel trocken, was das Lachen noch lauter machte.
"Okay, okay keine Hasenkaperung.", sagte Gareth schließlich mit einem Grinsen, "aber Essen muss jetzt sein. Ich hab so einen Hunger, ich könnte glatt ein ganzes Schwein verdrücken.“Die Gruppe setzte sich wieder in Bewegung, schlängelte sich durch die Massen und ließ die blinkenden Lichter, den Trubel und den Wahnsinn von Las Vegas auf sich wirken. Die Luft war warm und elektrisierend, voller Stimmen, Musik und dem gelegentlichen Klirren von Spielautomaten. Es war die Art von Nacht, bei der alles passieren konnte.
"Das hier, Leute ..." Gareth machte eine ausladende Geste in die Richtung der glitzernden Skyline, "das ist Vegas. Nichts ist zu verrückt, nichts zu laut und nichts zu bunt." Er hielt inne, drehte sich zu Ferit und dem Rest der Gruppe um. "Also, was jetzt? Burritos? Oder stellen wir uns einfach irgendwo in der Mitte der Straße auf und warten ab, was uns zuerst umhaut – ein Promi oder ein Lama."
Henry klopfte Gareth auf die Schulter, immer noch lachend. "Burritos, mein Freund. Lass uns erst Burritos holen, und dann suchen wir nach dem Lama." -
Ferit glaubte Gareth sofort, dass er bei ihm und seinen Kumpels in bester Gesellschaft war, wenn es um Unvorhergesehenes und Verrücktes ging - selbst die Aussicht, den Abend später zu bereuen, ließ ihn keine Sekunde daran zweifeln. Obwohl er es sonst bevorzugte, stets einen genauen, idiotensicheren Plan von allem zu haben, empfand er es als überaus verlockend, Abenteuer, Überraschungen und ja, ein bisschen Wahnsinn zu erleben. Schließlich hatte er sich genau deshalb für einen Roadtrip ins Ungewisse entschieden, nicht wahr? Um endlich mal loslassen und sich selbst finden zu können. Das tun, wonach ihm der Sinn stand, ohne gleich daran denken zu müssen, was die liebe Verwandtschaft von ihm hielt …
Der laue Wind, der ihm beim Verlassen der Bar entgegen schlug, sorgte dafür, dass ihm schwindelig wurde. Er stützte sich etwas auf Gar, während er versuchte, die vielen Eindrücke, die gnadenlos auf ihn einprasselten, zu verarbeiten. Es war, als wären Himmel und Hölle gleichzeitig auf ihn eingestürzt. Draußen tobte ein Kaleidoskop aus Farben und Mustern, ein Meer von Gerüchen, Körpern und Stimmen. Und Ferit selbst war nichts als ein kleines Schiffchen, das einfach so vom tosenden Sturm mitgerissen wurde. Er sollte Furcht empfinden, spüren, dass das nicht seine Welt war, dass er nicht hierher gehörte - doch er fühlte sich einfach nur berauscht. Mit fast schon kindlicher Neugier sog er die Eindrücke in sich auf wie ein Schwamm, drehte sich unstet und mit leuchtenden Augen um die eigene Achse, während er Gareth lauschte, das Murmeln seiner Freunde ein leises Hintergrundrauschen. Ferit blieb abrupt stehen, als Gar ihn packte, schlang ihm heiter lachend den Arm um die Hüfte und begutachtete die Limousine mit neugierigen Blicken. Es mochte etwas peinlich sein, aber er hatte Limousinen bislang höchstens mal im Fernsehen gesehen, wenn er mit seinem Freund Zac und seinem Vater irgendwelche alten Filme schaute, nie jedoch in natura.
“Ach, wir sind also übertriebene Absurditäten? Schließt du mich etwa mit ein, so ganz ohne Glitzer und Brimbamborium?”, fragte Ferit, eine dichte Augenbraue mokant hochgezogen, sein feiner, jedoch wohlwollender Sarkasmus für den aufmerksamen Zuhörer durchaus wahrnehmbar. Er lehnte sich schwer gegen Gareth, während sein Kopf brummte und summte und sah dem glänzenden Fahrzeug nach, wie es langsam um die Ecke bog und hinter wogenden Menschenmassen und blinkender Leuchtreklame verschwand.
“Wie willst du einen Hasen kapern?”, murmelte er undeutlich an Henry gewandt, was Max zum Kichern brachte und Claire dazu veranlasste, ihre bunt geschminkten Augen zu verdrehen. “Was?”, Ferit gestikulierte wild mit den Händen und machte einen kleinen Ausfallschritt zur Seite. Was war nur in Matthews Drinks gewesen, das ihn so aus der Fassung brachte? “Ein Hase ist kein Schiff und keine Organisation, wie kapert man ihn dann? Durch eine Entführung? Dämonische Besessenheit?” Er lachte abermals auf, als er sich das entsetzte Gesicht seiner armen Mutter bei einem solch wirren Gerede seinerseits vorstellte und ging mit ausladenden Schritten auf das rot und weiß leuchtende Neon-Schild des Jaburritos zu, Max und Claire dicht auf den Fersen. Mit Schwung öffnete Ferit die schwere Glastür und winkte den Rest der Gruppe durch, wobei er Gareth ein herzliches Lächeln schenkte. Er wusste noch nicht wirklich, warum er den jungen Mann offensichtlich mochte - vielleicht war es seine offene, etwas verrückte Art, oder dass er für ihn einfach nach Freiheit aussah, ja, praktisch nach ihr roch.
Die Gruppe nahm die einzige Sitznische des Lokals in Beschlag. Claire lümmelte sich nonchalant auf der schwarzen Lederbank und zog Max zu sich herunter, der sich mit idiotisch glücklichem Grinsen neben ihr niederließ und ihr die Arme um die Schultern legte. Zusammen berieten sie, was sie gerne essen würden und Ferit offerierte, für die Gruppe an die Bestelltheke zu gehen.
“Kommst du mit?”, wandte er sich an Gareth, hakte sich bei ihm unter und wies mit dem Kopf Richtung Theke.
“Ich könnte ein zusätzliches Paar Hände gebrauchen. Es sieht nämlich ganz danach aus, als würden wir das gesamte Lokal leerfressen!”
Er überflog noch einmal kurz das Menü und entschloss sich dazu, sich eine Venice Poke zu bestellen. Vegetarisch, keine Shrimps oder Krebse - also wunderbar für ihn geeignet. Ferit grinste Gareth schelmisch und ein wenig verlegen an, legte ihm eine Hand auf die Schulter und seufzte:
“Tja, gibt genug Vegetarisches, ich komme hier voll auf meine Kosten, aber du … ich glaube ein ganzes Schwein braten sie dir nicht. Aber … ich könnte dir Drinks als Trost spendieren!”
Er stupste ihn mit dem Ellenbogen an, schnaubte wieder erheitert durch die Nase und feixte:
“Vielleicht braten sie dir ja auch ein Lama, nachdem es dich umgehauen hat. Ich denke, ich lass mich lieber von so einem Vieh über den Haufen rennen, als von irgendeinem Promi - wenn ich schon keine Horde Katzen kriegen kann, die mich umhaut!”
Ferit wusste, dass er wieder munter vor sich hin plapperte und beschloss, sich vielleicht lieber erst mal einen Eistee zu genehmigen. So viel Vernunft besaß sein benebeltes Gehirn momentan anscheinend gerade noch so. Er bemühte sich redlich, die Bestellung einigermaßen sauber herunterzuleiern und schenkte der Bedienung ein zerknirschtes Lächeln, als diese nicht wirklich mitkam. Hilfesuchend drehte er sich nach Gar um und musterte ihn dabei verstohlen. Er wirkte auf ihn wie jemand, der keine Ketten kannte, die ihn herunterzogen und fesselten. Alles an ihm, selbst die Art, wie er einfach nur da stand und wartete, wirkte merkwürdig selbstbewusst. Er erschien robust, trotz seiner feinen Gesichtszüge, fast wie eine der steinernen Statuen, die Ferit in seinem Beruf fertigte.
“Aber er dürfte warm sein, nicht kalt wie Stein”, dachte Ferit und schüttelte den Kopf, wie um seine Gedanken neu zu sortieren - oder sie loszuwerden. Vielleicht sollte er sich doch noch ein paar süß schmeckende Drinks genehmigen … Er fühlte, wie Hitze in seine Wangen stieg - schließlich war ihm immer noch einigermaßen bewusst, dass es furchtbar unhöflich war, Leute anzustarren. Also räusperte er sich, kratzte sich im Nacken und nuschelte:
“Ah, magst du den Rest aufgeben? Bin wohl etwas ... unbegabt …” Oder auch einfach nicht fokussiert genug. Oder er hatte es bereits übertrieben. Zu viele Cocktails, zu viele neue Eindrücke, zu viel, was ihn verwirrte. Was auch immer, aber dafür war er schließlich hier, oder? Um den Wahnsinn in sich aufzusaugen und darin entweder auf- oder sang- und klanglos unterzugehen. Alles, nur nicht sein bisheriges, langweiliges, einengendes Leben weiterführen, in dem scheinbar alle über ihn bestimmten, nur nicht er selbst. Hier, in Vegas, konnte Ferit überdreht, laut, charmant , vielleicht sogar interessant sein. Und er konnte vergessen, dass er in Wirklichkeit nichts von alledem war … -
Gareth schmunzelte, als er Ferit zuhörte, der sich wortreich und sichtlich verunsichert durch das Menü wühlte. Es war schwer, nicht von Ferits unberechenbarer und irgendwie charmant-verwirrter Art angesteckt zu werden. Ein Teil von Gareth genoss es, wie dieser Kerl sich so natürlich und authentisch gab, ohne sich darum zu scheren, ob er dabei peinlich wirkte oder nicht. Gareth mochte das. Er selbst war ebenfalls niemand, der sonderlich viel Wert auf die Meinung anderer legte - jedenfalls dann nicht, wenn es sich um ihn drehtet. Wie er sich verhalten -, sich kleiden - oder sagen sollte. Er war einfach er selbst, etwas, was seine Freunde mit am Meisten schätzten, wie er aus zuverlässigen Quellen wusste.
"Vegetarisch, huh?" Gareth grinste breit, als er sich an der Theke neben Ferit positionierte und ihm mit einem sanften Schulterstoß half, sich zu sammeln. "Kein Problem, Mann, ich kann auch ohne Schwein leben. Aber ich nehm den Drink trotzdem, nur ein Verrückter würde so ein Angebot ausschlagen!"
Er bestellte sich eine California Burrito Bowl, die zwar kein ganzes Schwein enthielt, aber dafür vollgepackt war mit genug leckerem Zeug, um seinen Hunger zu stillen. Ferit wirkte immer noch etwas benommen und verlegen, während er sich am Tresen abmühte, und Gareth konnte es sich nicht verkneifen, ihm einen sanften Klaps auf den Hintern zu geben.
"Hey, keine Sorge, ich übernehm den Rest.", sagte er großspurig und wandte sich zur Bedienung. Mit einer lockeren Geste bestellte er den Rest der Speisen für die Gruppe. "Mach dir keinen Kopf. Wenn du einmal in Vegas angekommen bist, wird alles andere unwichtig. Hier gibt’s keine Regeln, und wenn wir heute keine Lamas finden, dann vielleicht morgen."
Ihm fiel auf, dass Ferit ihn für einige Augenblicke regelrecht anstarrte, was ihn auflachen ließ. Er beugte sich zu Ferit herüber und sagte mit einem breiten Grinsen: "Keine Sorge, ich bin’s gewohnt. Die Leute können einfach nicht genug von meinem schiefen Lächeln kriegen." Er zwinkerte und klimperte übertrieben verführerisch mit den Augen. Im Grunde schob er das Starren dem Alkohol zu.
Gareth nahm die Getränke entgegen und drückte Ferit den bestellten Eistee in die Hand. "Trink das, bevor du noch mehr poetische Reden schwingst und uns versehentlich einen Hasen mit dämonischer Besessenheit beschwörst."
Als sie zurück zu ihrer Gruppe gingen, konnte Gareth die Blicke von Henry und Daniel sehen, die sich bereits auf das Essen freuten. Die Stimmung war ausgelassen, und Gareth fühlte sich komplett im Moment. Las Vegas hatte diese besondere Magie, in der jede noch so verrückte Begegnung einen Sinn ergab.
"So, Leute, das Essen ist da!", rief Gareth und stellte die Tabletts auf den Tisch. "Also, was ist unser Plan für später?", fuhr er fort, während er sich auf einen freien Stuhl setzte und einen fragenden Blick in die Runde warf.
"Ah ja ... und Ferit hier hat versprochen, dass wir später noch ein Lama-Wettreiten machen. Ich hoffe, ihr seid alle bereit, euren inneren Cowboy zu channeln." natürlich hatte Ferit nichts von dem auch nur im entferntesten angedeutet, aber was machte das schon?!
Henry spuckte fast sein Getränk aus vor Lachen. "Ein Lama-Wettreiten? Ich wusste, dass der Abend verrückt wird, aber das toppt alles!"
"Hey! Nichts ist verrückt genug für Vegas“, korrigierte Gareth seinen Freund, während er sich einen Bissen genehmigte. Er warf Ferit einen schelmischen Blick zu und fügte hinzu: "Und wenn’s kein Lama wird, dann vielleicht Elvis – ich meine, hier laufen genug von denen rum."
Er zwinkerte Ferit zu und prostete der Gruppe mit seinem Drink zu. -
Ferit musste zugeben, dass er sich selten in seinem Leben so wenig Gedanken darüber gemacht hatte, wie er auf andere wirkte oder was man von ihm hielt. Er klimperte genauso übertrieben mit den Wimpern zurück, wenn auch etwas errötend und sagte, scheinbar todernst:
“Oh, gut - dann wirst du dieses kleine, unschuldige Bambi auch nicht für’s Starren erschießen? Ich meine … es gibt hier schließlich keine Regeln, oder?”, und machte sich beschwingt auf den Weg zurück zu ihrer Tischgruppe. Dennoch musste er Gar Recht geben - er sollte wirklich zusehen, dass er etwas in den Magen bekam und seinen Eistee trank. Ferit hatte die diffuse Ahnung, dass ihm Dinge nichts mehr ausmachten, die ihn normalerweise vor Scham im Boden versinken lassen würden. Vermutlich war das überhaupt nicht gut, aber es kümmerte ihn nach wie vor einfach wenig.
“Pah, gar nicht wahr!”, verkündete er daher schmollend, als er Claires und Max’ Bowl vor ihnen abstellte und sah jeden einzelnen der Gruppe maliziös grinsend an:
“Ich habe versprochen, einen dämonischen, mordlustigen Hasen zu beschwören, der euch die Nasen abbeißt. Von irgendeinem langweiligen Wettreiten war nie die Rede. Du Lügner!”, wandte er sich gespielt entrüstet an Gareth und bedrohte ihn mit seiner Gabel, während er ihm zublinzelte.Claire seufzte und Max war nur allzu bereit, Gareth eine Antwort auf seine Frage zu geben. Er schob sich genüsslich rohen Fisch in die Backen, was Ferit dazu veranlasste, die Nase zu rümpfen und nuschelte:
“Claire und ich hatten geplant, eine Fahrt auf dem High Roller zu machen, aber ich fürchte, dazu muss unser gruppeneigener Angsthase erst mal seine Dämonen bekämpfen, stimmt’s Ferit?”
Max beäugte ihn mit einem hinterlistigen Funkeln in den Augen und anscheinend sah er gerade so aus, als ob er irgendeine Dummheit begehen wollte, da mischte sich Claire ein:
“Alternativ hatte Grace das KAMU vorgeschlagen. Ich sehe nicht, warum wir da nicht auch ohne sie und Matthew reingehen sollten, blamieren würden wir uns so oder so alle - oder ist irgendjemand hier heimlich ein Karaoke-Ass? Und ich will auf jeden Fall irgendwohin tanzen gehen, damit ich dir dabei zugucken kann, wie du über deine überdimensionierten Quadratlatschen fällst, Maxi!”
Sie schenkte Max ein zuckersüßes Lächeln, das ihren Worten nichts von ihrer Boshaftigkeit nahm.
“Pff, als ob ich so ungelenkig bin!”, murrte Max, sah aber von weiteren Sticheleien vorerst ab, als Ferit ein Stück Gurke etwas vehement aufspießte, ihm damit vor der Nase herumfuchtelte und ihn dabei herausfordernd angrinste.
“Schön, ich kämpfe mit der Bestie. Ich steige auf dieses monströse Rad und dafür singst du später irgendeinen Song, den …”
Etwas spät fiel Ferit ein, dass er keine Ahnung hatte, was für Songs Karaoke-Bars überhaupt im Angebot hatten oder wie so etwas überhaupt ablief. Also wies er mit seinem Stück Gurke auf Gareth und verkündete feierlich:
“Den er dir aussucht.”
Er lehnte sich vor, streckte beiden Männern seine von seiner Arbeit schwieligen Hände hin, was etwas ungelenk aussah und fragte:
“Also, was ist? Deal?”Claire wandte sich hilfesuchend an Henry und Daniel, sah aber schnell ein, dass offensichtlich niemand dazu bereit war, den Abend über in irgendeiner Form vernünftig zu sein. Ferit konnte das nur Recht sein. Den bisherigen Trip über hatte Claire immer etwas auf ihn aufgepasst. Doch im Grunde genommen, das sagte er sich jedenfalls, brauchte er keinen Babysitter … Er kam alleine klar und konnte selbst über sein Schicksal bestimmen. Gut gelaunt verschlang er seine Bowl regelrecht, was ihm ein sarkastisches: “Wow, Max, er isst tatsächlich mal!” von Claire einbrachte.
Nachdem die Gruppe gegessen hatte, machten sie sich aufgeregt plaudernd auf den Weg. Die Stimmung war geradezu elektrisierend und Ferit spürte, wie er einfach davon mitgerissen wurde. Er putzte seine Brille mit dem Saum seines Hemdes, grinste Gareth etwas bedauernd an und meinte:“Entschuldige, dass ich dich in unsere kleine Fehde mit reingezogen habe. Max … ah … er geht mir unter die Haut, manchmal. Und ich habe wirklich keine Ahnung von Karaokebars.”
Er schenkte ihm ein ehrliches, verlegenes Lächeln, setzte seine Brille wieder auf und blieb abrupt stehen, als sie sich dem Riesenrad näherten. Möglicherweise hatte er doch zu große Töne gespuckt. Oder er wurde wieder nüchterner, was sich offensichtlich negativ auf seinen Mut auswirkte.
“Çüş!”, entfuhr es ihm entsetzt. “Da wollt ihr drauf? Habt ihr irgendwie alle einen geheimen Todeswunsch, oder so?"Ferit musterte das Rad mit entsetztem Blick und überlegte, einfach zu kneifen - es war ja nicht so, als hätte er wirklich eine Wette mit Max abgeschlossen, oder? Letztendlich wies er matt mit dem Zeigefinger auf den hell erleuchteten High Roller, wandte sich mit Leidensmiene an Gareth und jammerte mit waidwundem Blick: “Et tu, Brute? Bist du auch sadistisch veranlagt und willst mir dabei zusehen, wie ich da oben verrecke?”
“Hoch dramatisch, Küken. Du liebe Güte, lass lieber die Finger von irgendwelchen Cocktails!”, schnaubte Claire, warf ihre silberblonden Haare zurück und verkündete: “Ich kauf’ Tickets! Das Ding ist absolut sicher, Ferit, du könntest von da oben ganz tolle Bilder schießen. Aber hey - falls du so furchtbar Angst hast, hält er dir bestimmt gerne das Händchen, wenn du nett fragst”.
Sie wies mit einem lässigen Kopfnicken Richtung Gareth und stolzierte davon. Max wieherte beinahe sofort amüsiert los, was Ferit dazu veranlasste, sich offenbar endgültig dem Wahnsinn hinzugeben.
“Pfötchen?”, fragte er Gareth und hielt ihm sogleich seine eigene, etwas kühle Hand auffordernd hin.
“Oder wir gehen singen oder tanzen!”, schlug er dennoch als Alternative vor, wohl wissend, dass er tanzend vermutlich aussehen würde, als hätte er gerade einen epileptischen Anfall oder als würde ihn der Schlag treffen - je nachdem.
“Und du - “, fauchte er Max herrisch an: “du … ach, halt’ einfach die Klappe!” Verwirrt griff Ferit sich an den Kopf, schluckte schwer und starrte den High Roller erneut ehrfürchtig an, bevor er in seinem verlotterten Rucksack kramte und schließlich seine Kamera zu Tage förderte. Wenn er das Biest auf Film bannte, konnte es ihm vielleicht gar nicht mehr so viel anhaben …
Max indes zog seine rötlichen Augenbrauen irritiert hoch und murmelte an niemand Bestimmten gerichtet:
“Götter, er wird wieder autoritär - wird wohl Zeit für einen neuen Drink …” -
Gareth grinste, während er einen weiteren Bissen seiner Burrito Bowl nahm. Das Abendessen war ein einziges, herrliches Durcheinander aus Gelächter, Gabeln, die quer über den Tisch auf Tellern klapperten, und wilden Ideen für den restlichen Abend.
Die Zeit verging in einem einzigen, fröhlichen Wirbel, und irgendwann lehnte sich Gareth zurück, legte zufrieden eine Hand auf seinen Bauch und grinste satt und zufrieden in die Runde.
Als er dazu auserkoren wurde einen Song auszusuchen, den Max in naher Zukunft singen musste, wenn Ferit sich auf das Riesenrad traute, ließ ihn die Augenbrauen hochziehen, doch dann breitete sich ein schiefes Grinsen auf seinem Gesicht aus. "Oh, keine Sorge, da fällt mir was schönes ein." gab er zurück und ein diabolisches Funkeln in seinen Augen ließ erahnen, dass er nichts Gutes im Sinn hatte.
Als sie aufbrachen, merkte Gareth deutlich, dass der Alkohol seine Gedanken ein wenig verwischte und seine Schritte leicht ins Stolpern brachte. Aber genau das war die Magie dieser Nacht – alles fühlte sich schwerelos und möglich an. Vegas vibrierte um sie herum, die Lichter der Stadt spiegelten sich in Schaufenstern und auf den glänzenden Autodächern, und Gareth war sicher, dass es keinen besseren Ort auf der Welt gab, um sich so lebendig zu fühlen.
Ferit wirkte ein wenig zurückhaltender, als eines der Ziele des Abends sich abzeichnete – der High Roller, das gigantische, glitzernde Riesenrad, das in all seiner beleuchteten Pracht vor ihnen in den Nachthimmel ragte. Gareth legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter, als sie näherkamen. "Alles gut, Ferit?", Er grinste breit. "Keine Sorge, Kumpel. Wenn das Rad uns ins Nirvana befördert, dann sorgen wir zumindest dafür, dass es uns zuvor die beste Aussicht der Stadt bietet." Mit diesen Worten bestätigte er indirekt, dass er mitfahren würde. Also nahm er die angebotene Hand Ferits und verschränkte dessen Finger mit seinen. "Ich passe schon auf dich auf!", schnurrte er fast und warf dem Riesenrad einen freudigen Blick zu. Er, als einer der Stuntmen des Zirkus, liebte Höhen und dergleichen.
Gareth ließ seinen Blick über die imposante Struktur gleiten und spürte ein kribbelndes Gefühl von Abenteuerlust und leichtem Wagemut in sich aufsteigen. "Okay, Leute.", sagte er und blickte in die Runde, "der High Roller ruft! Lasst uns die Sache rocken – und Ferit ..." Er zwinkerte ihm zu. "Falls du wirklich zu viel Schiss hast, halte ich die ganze Fahrt deine Hand. Versprochen." mit diesen Worten hob er ihre Hände auf Gesichtshöhe und drückte Ferit einen Kuss auf den Handrücken.
Henry und Daniel empfahlen sich allerdings. Sie hatten Blickkontakt zu zwei bildschönen Frauen hergestellt, welche die beiden Männer nun zu sich herüber winkten. Gar schüttelte amüsiert den Kopf, zuckte aber kurz darauf die Schultern. Immerhin war er nicht allein. -
Der imposante High Roller blitzte und blinkte in allen nur erdenklichen Regenbogenfarben in den dunklen Nachthimmel, während um sie herum ein Wirrwarr aus Stimmen und Musik tobte. Wenn Ferit in seine Digitalkamera blickte, wirkte das vermaledeite Ding gar nicht mehr so bedrohlich. Doch natürlich wusste er, dass das miniaturisierte Bild, das ihm das Gerät anzeigte, ein Trugschluss war. Und so steckte er die Kamera wieder ein und griff dankbar nach Gareths erstaunlich warmer Hand.
“Da dieses … Ungetüm gut einhundertachtundsechzig Meter hoch ist und damit das zweitgrößte Riesenrad der Welt, können wir uns über die Aussicht sicher nicht beschweren …”, murmelte Ferit, während er Gars Hand sanft drückte und ihn dankbar angrinste.
“... Aber über unser baldiges Ableben können wir dann klagende Opernarien schmettern!”, raunte er ihm mit einem diabolischen Gesichtsausdruck ins Ohr. Sonderlich melodisch würden die zwar nicht klingen - aber sie würden ihren unausweichlichen Sterbeprozess sicher angemessen untermalen.
Doch als Claire mit ihren Tickets zurückkam und noch dazu freudestrahlend verkündete: “Leute, ich konnte uns sogar eine Happy Half Hour mitbuchen, Cocktails und alles drum und dran”, verging ihm sein kleiner Anflug von Galgenhumor, gemischt mit guter Laune relativ schnell. Nicht wegen der Cocktails, oh nein. Ferit hatte gerade so eben den Beschluss gefasst, möglichst viele davon zu kippen, damit er sich nicht peinlich, schweißgebadet und heulend an Gareth festklammern würde wie ein Kleinkind. Doch Gareths ermutigendes Lächeln, sein Versprechen und seine warme Hand hatten zumindest temporär dafür gesorgt, dass er die Dauer der Fahrt verdrängt hatte. Dreißig Minuten. Dreißig Minuten mit mindestens zwanzig anderen Menschen eingepfercht in einer kleinen, hässlichen Kapsel, die bald einhundertachtundsechzig Meter über der Erde schweben würde …
Ferit schluckte nervös, winkte Gars Freunden zum Abschied und warf dem Rad schnell noch einen ehrfürchtigen Blick zu, bevor er sich mit Gareth, Claire und Max in die Schlange einreihte. Er fühlte, wie seine Ohren rot anliefen und sein Magen einen kleinen, aufgeregten Hüpfer machte, als Gar ihm einen galanten Handkuss aufdrückte - und die Schlange sich recht flott in Bewegung setzte.
“Sehr ritterlich, Sir Gareth von und zu ohne Angst”, frotzelte er und sein alkoholisiertes Gehirn beschwor passend zu seiner neckischen Antwort ein Bild seines Freundes Zac herauf, wie er Gareth gerade feierlich als Paladin für seine nächste Pen and Paper-Runde verpflichtete.Claire und Max, die sich wieder wegen irgendeiner Nichtigkeit stritten, quetschten sich als erste in die Kapsel. Danach drängte sich eine Bande Studenten vor, denen Ferit eigentlich gerne die Meinung geigen wollte. Stattdessen wandte er sich an Gareth, der das Riesenrad wohlwollend fasziniert beobachtete.
“Sieht ganz schön futuristisch aus, nicht? Wie Raumkapseln aus einem Science-Fiction Film. Zac würde bestimmt einfallen, aus welchem.”
Ferit lächelte etwas angespannt, als auch Gareth und er sich endlich in die metallisch funkelnde Kapsel quetschten. Die Lichter tauchten Gareths helle Haare abwechselnd in pinkes, blaues und grünes Licht und von der kleinen Bar konnte Ferit das Klirren von Gläsern und Gesprächsfetzen hören. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die breite Glasfront, die ihnen einen Panoramablick ermöglichen sollte, und zog seinen neuen Freund mit sich.
“So kannst du deinen Ausblick genießen und ich … ähm … naja …”, brach er sein Gestammel ab, nur um kurz darauf mit seiner freien Hand eindrücklich vor Gars Gesicht herumzufuchteln.“Ich … weißt du, dass deine Haare gerade grün sind? Sieht hübsch aus, wirklich. Du könntest ein Waldgeist sein oder ein Pan oder … ein Elf, ich glaube, sie heißen Elfen”, ratterte Ferit sämtliche mystischen Wesen herunter, mit denen ihn Zac im Laufe ihrer Freundschaft vertraut gemacht hatte. Konnte man als Elf einen Paladin spielen? Ferit beschloss, Zac danach zu fragen, falls er den High Roller lebend verlassen sollte.
Ehrlich interessiert musterte er Gareth noch eindringlicher und fragte leise:
“Wie kommt’s? Dass du dich gar nicht fürchtest … dir gefällt das hier, oder? Du bist hier in deinem Element!"
Noch befanden sie sich nicht in luftiger Höhe und so konnte auch Ferit behaupten, dass es keine unangenehme Atmosphäre war. Aber bald würde sich das ändern … allein der Gedanke daran sorgte dafür, dass Ferits Puls anstieg. -
Er spürte, wie Ferits Nervosität langsam zunahm, doch die Aussicht, jetzt in den High Roller zu steigen, löste in ihm persönlich nur noch mehr Begeisterung aus. Die Kombination aus leuchtenden Lichtern, schwindelerregenden Höhen und der Aussicht auf einen gigantischen Rundumblick über Vegas war einfach perfekt. Gareth zog Ferit leicht zu sich, sodass sie nicht getrennt wurden, als sie nach einer Gruppe Studenten das Gebilde aus Stahl und Glas betraten.
Gareth grinste, als Ferit mit seinen wirren, aber charmanten Fantasien über Elfen und Waldgeister anfing. Dass Ferit seine Haare jetzt für grün hielt, brachte ihn noch mehr zum Lachen – das Neonlicht musste wirklich einen ziemlichen Effekt auf die Wahrnehmung des Mannes haben. "Ein Waldgeist, huh?", schmunzelte er "Ich schätze, ich nehm das als Kompliment. Passt irgendwie." Stellte er nüchtern fest und sah sich um, als er Gläser klingen hörte.
Stimmt, hatte Clair nicht etwas von Cocktails gesagt.
"Lauf nicht weg. Ich bin gleich zurück.", sagte Gar, drückte Ferits Hand kurz zum Abschied und löste sich dann sanft von ihm.
Er machte sich zielstrebig zur kleinen Bar in der Gondel auf. Er wusste, dass ein paar starke Drinks vielleicht genau das Richtige waren, um Ferit die letzten Sorgen zu nehmen – und außerdem liebte Gareth es, die Stimmung ein bisschen anzuheizen. Besonders wenn dies mit Alkohol geschah.Er lehnte sich lässig an die Bar und winkte dem Barkeeper zu. "Zwei Cocktails für mich und meinen Freund da hinten – etwas, das uns Höhenflüge erleben lässt, wenn du verstehst, was ich meine."
Der Barkeeper grinste wissend und machte sich an die Arbeit, während Gareth das glitzernde Panorama von Vegas draußen im Blick behielt. Es war, als wäre die ganze Stadt nur für sie beleuchtet. Nach wenigen Minuten schob der Barkeeper ihm zwei Gläser herüber, die in sämtlichen Regenbogenfarben schimmerten und mit kleinen Papier-Schirmchen dekoriert waren.
"Perfekt.", murmelte Gareth und schnappte sich die Drinks, wobei er vorsichtig balancierte, um keinen Tropfen zu verschütten.
Zurück bei Ferit hielt er ihm ein Glas hin und hob selbst das andere, ein schelmisches Funkeln in seinen Augen. Gareth warf Ferit ein verschwörerisches Grinsen zu und sagte: "Also da bin ich wieder. Wir brauchten dringend ein paar Cocktails, um das Ganze hier richtig zu feiern." Er schien bester Laune zu sein und erhob sein Glas. "So, Ferit. Ein Toast!" Gareth hob sein Glas und sah ihm direkt in die Augen. "Auf Höhen, die uns für einen Abend wie Könige fühlen lassen, und auf Vegas, das niemals aufhört, uns zu überraschen.", sagte er mit schwellender Brust und pompöser Gestik. Mit einem breiten Grinsen prostete er ihm zu und nahm einen kräftigen Schluck.
Die Bemerkung lies Gar lachen. "Süß. Höhenangst? Ich? Niemals." Er schüttelte den Kopf, das Grinsen auf seinen Lippen schief und selbstbewusst. "Weißt du, ich arbeite im Zirkus. Da spring ich für die Leute durch die Luft, mach Stunts in schwindelerregender Höhe, und das ist für mich fast wie das hier – reine Freiheit." Er sah hinauf, dorthin, wo sie in wenigen Augenblicken hin befördert werden würden und konnte es kaum erwarten. Gar liebte große Höhen.
Er klopfte prüfend gegen das Glas und sah Ferit dann direkt an, ein Hauch von Stolz und Belustigung in seinem Blick. "Ganz ehrlich? Und selbst wenn ich nicht im Zirkus wäre – ich könnte sowieso keine Angst vor Höhe haben." Er hielt einen Moment inne und ließ Ferit rätseln, was er damit meinte. "Das wäre ja komplett lächerlich … für jemanden wie mich, meine ich."
Gareth lehnte sich mit einem spielerisch ernsten Ausdruck näher. "Weißt du ich habe so eine gewisse …. Affinität für Höhe. Das ist quasi in meiner DNA."
Er lachte und zwinkerte ihm zu. "Also, wenn hier einer in seinem Element ist, dann bin ich das. – Oh wow, sieh dir das an!" Gareth machte eine ausladende als die Godel leicht zu schaukeln begann als sie sich in Bewegung setzten. "Und bevor du fragst – ja, ich bin in jeder verdammten Sekunde bereit, einen Rettungseinsatz hinzulegen. Also keine Angst – falls du das Gefühl hast, dass dir die Höhe zu viel wird, klammer dich einfach an den nächstbesten Greifen." Sagte er laut, hob sein Glas erneut und trank, sich nicht darüber im Klaren, dass seine Worte mitunter ziemlich verrückt klingen könnten. -
“Zum Weglaufen ist es jetzt wohl zu spät, oder?”, stellte Ferit mit einem zurückhaltenden Lächeln sachlich aber nicht unfreundlich fest, bevor Gareth sich auf den Weg zur Bar machte. Widerwillig ließ er seine Hand los und sah ihm verstohlen nach, als er sich mit sicherem Schritt einen Weg zur hell erleuchteten Bar bahnte. Insgeheim wünschte sich Ferit, auch nur im Ansatz so lässig und selbstbewusst zu sein. Im Gegensatz zu ihm schien Gareth keine Zweifel an seinem Platz in der Welt zu hegen, an dem, was er tun durfte und was nicht. Der Mann wirkte auf ihn, als wüsste er nicht nur um seinen Platz in der Welt - nein, ihm schien sogar die ganze Welt zu gehören und sie bestand zudem nicht aus kritisch flüsternden Stimmen und einem ganzen Haufen Verboten, von denen er heute Abend schon ein Dutzend gebrochen hatte. Und weitere würden folgen, das wusste Ferit einfach. Er seufzte tief und atmete langsam ein und aus, um seinen noch immer rasenden Herzschlag zu beruhigen. All dies - die zunehmende Höhe, der Alkohol, der ihm manchmal zuflüsterte, dass er alles sein und tun könne, was er wolle und ihn gleichzeitig in seine altbekannten Melancholie-Anfälle zu stürzen drohte und Gareth, einfach Gareth, der so voller Lebenslust und Zuversicht war - stellte einen berauschenden, aufregenden Cocktail für seine Nerven dar. Einen Cocktail, der ihn benebelte, ihn ausnahmsweise gnädig den Moment genießen ließ und seine Sinne sowie sein Urteilsvermögen gleichzeitig überstrapazierte.
Glücklicherweise erlöste ihn Gareth recht schnell aus seinem Gedankenkarussell, das sich gefährlich nahe am Rande der Eskalation zu einem undurchdringlichen, minoischen Labyrinth befand, in dem er den roten Faden verloren hatte. Bewaffnet mit einem sonnigen Lächeln und einer beneidenswerten devil-may-care - Attitüde reichte er ihm einen in allen Regenbogenfarben glitzernden Cocktail, der angenehm süß und zuckrig roch. Ferit erwiderte seinen Blick ebenso fest, nahm einen tiefen Schluck, der ihn bereits angenehm bis in die Zehen wärmte und drohte, ihn endgültig den Verstand zu kosten. Er verschluckte sich, als er aufgrund Gareths charmanter Theatralik lachen musste, hustete in seine Armbeuge und stieß sein Glas mit tränenden Augen an Gareths:
“Mögen wir ewig und unangefochten in der Stadt der funkelnden Lichter und tausend Möglichkeiten und Träume herrschen, auf dass uns der Pöbel entgegen aller Hoffnung nie ein Haar krümmen oder uns gar die Köpfe kosten kann!”, ergänzte er gestelzt und krallte sich sogleich entsetzt aufjapsend an Gareths Arm fest, als die Gondeln erneut zu ruckeln begannen und sie an Fahrt aufnahmen.Langsam schwebten sie dem Nachthimmel entgegen. Ferit wünschte sich, er würde sich tatsächlich wie ein unbesiegbarer Herrscher fühlen, doch stattdessen schien er eher zu der Sorte zu gehören, denen das Volk beständig und mordlüstern mit Mistgabeln und Fackeln im Nacken saß …
Er schloss kurz die Augen, konzentrierte sich auf seine Atmung. Auf den fruchtig süßen Geschmack, den der Cocktail auf seiner Zunge hinterlassen hatte. Gareth, der solide wie einer der Marmorblöcke, die ihm so vertraut waren, mit ihm in der Gondel stand, warm, ruhig und sichtlich ohne einen Funken Angst. Den Geruch von zwanzig anderen Menschen, süße und herbe Parfums, Schweiß und Waschmittel. Die sphärisch anmutende Musik, die aus den Boxen drang und ihm hypnotisch befahl “Tanz, tanz, tanz, auch wenn du es nicht kannst!”. Doch Ferit ignorierte diesen Befehl, öffnete langsam die Augen und spähte todesmutig hinter Gareths Ohr in den hell erleuchteten Nachthimmel, während er einen Schritt auf ihn zutaumelte.“Wenn - wenn meine Naivität so süß ist, dann erzähl mir mehr!”, forderte er ihn auf, während er noch einen weiteren Schluck von dem Cocktail nahm.
“Du arbeitest im Zirkus? Mein Vater würde mich töten, wenn ich je auf solche Gedanken käme! Dabei klingt es so aufregend!”, sprudelte es aus ihm heraus, während sich der Cocktail recht schnell dem Ende zuneigte und ihm zunehmend schwindeliger, heiß und kalt gleichzeitig wurde. Ob er der Höhe oder dem Alkohol die Schuld daran geben sollte, wusste er nicht, aber er befolgte brav Gareths Rat und klammerte sich mit erstaunlicher Kraft an ihm fest.
“Diese Freiheit, von der du redest, wie fühlt sie sich an? Wie riecht sie, wie schmeckt sie?”,
fragte er weiter, mit großen Augen und ernsthaftem Blick. Ferit runzelte kurz irritiert seine dichten Augenbrauen, musterte Gareth, als ob er vielleicht den Verstand verloren haben könnte. Aber auch diese Möglichkeit empfand er als ganz entzückend, ja, geradezu bezaubernd, was ihm wirklich Sorgen machen sollte. Doch momentan hatte er dazu weder den Verstand, noch die Zeit. Er lachte kurz und herzlich auf, klopfte Gareth auf die Schulter und fragte:
“Was, ein Greif? Was hat es damit auf sich? Los, spuck's aus, du armer Irrer, oder ich … wow, wow, wow!”Weiter kam Ferit mit seiner leeren, sinnlosen Drohung nicht, denn das Panorama, das sich ihm hinter Gareths Ohr bot, war so atemberaubend, wie es furchteinflößend war. Las Vegas wurde immer mehr zu einer im endlosen Lichtermeer schwimmenden Miniaturstadt, in der winzig kleine Däumlinge umherhasteten, stets auf der Suche nach einem neuen Kick, einer neuen Zerstreuung, um die Banalität ihres Lebens zu vergessen.
“Siehst du das? Wunderschön … beängstigend, aber wunderschön", hauchte er ehrfürchtig, während er Gareths Schulter umfasste.
-
Gareth lachte, als Ferit mit seinen theatralischen Ausrufen und schnellen Fragen förmlich über sich selbst stolperte. Er konnte nicht anders, als den Moment zu genießen – Ferits Mischung aus Neugier, Nervosität und Ehrfurcht war geradezu ansteckend. Gareth hob sein halb leeres Glas und prostete dem Nachthimmel zu, bevor er den Rest in einem großen Schluck hinunterkippte. Der süße, fruchtige Cocktail hinterließ ein wohlig warmes Kribbeln, das sich perfekt mit dem leichten Schwanken der Gondel und der schwindelerregenden Aussicht vermischte.
Gareth lächelte und ließ seinen Blick einen Moment über die funkelnde Skyline von Vegas schweifen. "Ich bin im Zirkus aufgewachsen. Für mich war das Leben schon immer ein bisschen ... unkonventionell.“
Er lehnte sich entspannt gegen das Glas der Gondel, die nun sanft nach oben glitt, und drehte sein Glas in der Hand, während er sprach. "Meine Eltern waren Artisten, und ich war schon als Kind mitten im Geschehen. Während andere Kinder in Klassenzimmern saßen, hab ich gelernt, wie man auf einem Drahtseil balanciert oder durch einen brennenden Reifen springt. Die Zirkuswelt war meine Schule – eine Mischung aus Chaos, Kreativität und Gemeinschaft." Ein warmes Lächeln spielte um seine Lippen, als er zurückblickte. „Die Leute im Zirkus waren wie eine große, bunte Familie. Wir hatten keine festen Wurzeln, kein Zuhause, das nicht auf Rädern stand. Aber das war genau das, was ich liebte. Jeden Tag an einem neuen Ort, neue Gesichter, neue Geschichten. Es war, als würde das Leben selbst immer wieder neu anfangen." Er drehte sich zu Ferit um, ein Funken Nostalgie in seinen grauen Augen. "Ich hab gelernt, keine Angst zu haben – weil Angst im Zirkus keine Option ist. Ob du nun auf einem Hochseil stehst oder dich aus einer Kanone schießen lässt, du musst dich immer auf dich selbst verlassen können. Und das, Ferit, ist wahrscheinlich der Grund, warum ich so besessen von Freiheit bin. Sie war immer Teil meines Lebens.“ Dann hob er das Glas in einer verspielten Geste. "Also ja, ich bin vielleicht ein bisschen verrückt. Aber weißt du, was das Beste daran ist?" Er grinste breit und zwinkerte. "Man kriegt nie genug davon, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Und genau das solltest du auch tun, mein Freund."Gareth hielt inne, sein Grinsen wich einem nachdenklichen Ausdruck. Ferits Frage hatte ihn tatsächlich getroffen – nicht, weil er sie nicht beantworten konnte, sondern weil sie so direkt und ehrlich war. Er sah Ferit einen Moment lang an, dann wandte er den Blick zurück auf die funkelnde Stadt unter ihnen. "Wie sie sich anfühlt?" Gareth schloss kurz die Augen und atmete tief durch, als wollte er die Antwort förmlich einfangen. "Es fühlt sich an wie ... TEXT. Es ist diese Mischung aus Adrenalin und Frieden – als würdest du alles hinter dir lassen, was dich unten hält. Was verhindert der zu sein, der du sein willst." Er ließ den Blick wieder zu Ferit wandern, seine grauen Augen glitzerten im Licht der Neonlichter. "Wie sie riecht?" Er grinste leicht. "Es ist wie der Geruch nach einem Sommerregen – sauber, klar, neu." Gareth nahm einen Moment, um seine Worte zu sammeln, dann hob er sein leeres Glas und sah es nachdenklich an. "Und wie sie schmeckt? Hm ... vielleicht wie ein verdammt guter Cocktail. Etwas Süßes, das dich kurz vergessen lässt, dass es auch mal bitter sein könnte. Etwas, das dir für einen Moment das Gefühl gibt, du kannst die Welt verschlingen.“ Er hielt Ferits Blick fest, ein warmes Lächeln spielte um seine Lippen. "Diese Freiheit ist wie fliegen, Ferit. Ohne Grenzen. Ohne Netz. Und weißt du was? Sie schmeckt nach mehr."
Mit einem leichten Klopfen auf Ferits Schulter fügte er leise hinzu: "Und genau das, mein Freund, ist der Grund, warum wir das hier machen. Um uns daran zu erinnern, wie gut das Leben sein kann, wenn wir uns trauen, es zu probieren. Weißt du, diese Freiheit, von der ich rede, ist nicht nur ein Gefühl, das man hat, wenn man irgendwo hoch oben. Es ist ein Zustand, den du dir erlauben musst. Es bedeutet, alles loszulassen – die Zweifel, die Angst, was andere denken. Es bedeutet, dich selbst für einen Moment wichtiger zu nehmen als alles, was dich zurückhält."
Er deutete mit einer ausladenden Geste auf das glitzernde Las Vegas unter ihnen. "Das hier? Das ist Freiheit in Neonlicht verpackt. Es schreit dir zu: 'Mach, was du willst! Sei, wer du willst!' Und das ist der Trick – du musst nur aufhören, darüber nachzudenken, was schiefgehen könnte." Gareth legte den Kopf schief und musterte Ferit mit einem schiefen Lächeln. "Und glaub mir, Ferit – du bist viel mutiger, als du denkst. Sonst wärst du nicht hier, mitten in Vegas, auf einem Riesenrad mit einem leicht durchgeknallten Zirkus-Artist, der nicht aufhören kann zu reden."
Er zwinkerte und fügte hinzu: "Also, erzähl du mir – was bedeutet Freiheit für dich?"Gar seufzte und überlegte. "Ein Greif, huh?" Gareth schmunzelte und lehnte sich entspannt an die Glaswand der Gondel. "Du weißt schon, die Dinger mit dem Kopf und den Flügeln eines Adlers, aber mit dem Körper eines Löwen. Mächtig, wild, und verdammt gut darin, durch die Lüfte zu jagen." Er zwinkerte Ferit zu und ließ die Information kurz wirken, während er ein leichtes Lächeln auf den Lippen hatte. "Das bin ich. Zumindest ... halbwegs ... im Moment."
Er streckte die Arme aus, als würde er den ganzen Himmel umarmen, und fuhr fort: "Stell dir vor, du stehst irgendwo hoch oben, der Wind peitscht dir um die Ohren, und du weißt, dass dir nichts passieren kann, weil du Teil davon bist – von dieser unendlichen Freiheit da draußen." Er deutete mit einem Finger auf das glitzernde Panorama unter ihnen bevor Gareth den Kopf wandte und Ferit musterte, dessen Blick zwischen Faszination und leichter Panik hin und her schwankte. "Und das ist auch der Grund, warum ich keine Angst vor Höhe habe. Es wäre irgendwie … albern, findest du nicht? Als ... hätte man Angst vorm Atmen." Er spürte deutlich wie der Andere sich fest an ihn klammerte, was ihn aber nicht weiter störte. Im Gegenteil, schon jetzt mochte er Ferit gut leiden und seine Nähe war ihm daher in keinster Weise unangenehm. Er legte seinen Arm um ihn und verstärkte seinen Griff.Als Ferit den Blick über die atemberaubende Aussicht schweifen ließ und seine ehrfürchtigen Worte murmelte, nickte Gareth langsam. "Ja, wunderschön ist es. Weißt du, Ferit ... manchmal muss man einfach loslassen. Nicht darüber nachdenken, was unten passieren könnte, sondern den Moment nehmen, ihn festhalten und auskosten. Das hier ist Vegas – der perfekte Ort, um das Leben zu feiern, ohne sich Sorgen zu machen." Er hob sein leeres Glas mit einem breiten Grinsen. "Und wenn das nicht hilft ... dann holen wir uns einfach noch einen Drink. Ich meine, Cocktails sind quasi die flüssige Version von Mut, oder nicht?"
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Ferit kaute konzentriert auf seiner Unterlippe herum und lauschte Gareths Worten, während der Alkohol zäh durch seine Venen floss und Las Vegas’ Skyline hell hinter ihm leuchtete. Vielleicht war es der Cocktail oder auch die Art und Weise, wie Gareth ihm die Freiheit beschrieb, sie ihm praktisch schmackhaft machte - aufregend, gefährlich, aber doch stets zum Greifen nah in all ihrer verbotenen Süße - doch er empfand kaum mehr Angst vor der Höhe. Stattdessen konzentrierte er sich einzig und allein auf ihre Unterhaltung, auf das, was er lernen, was er mitnehmen konnte.
“Deine Kindheit klingt echt spannend. Zirkusartisten … hattest du denn wirklich niemals Angst? Meine Eltern und ich sind in die USA gezogen, als ich drei war.”Ferit grinste verlegen, setzte sich auf einen der rot gepolsterten Sitze der Gondel und zog Gar mit sich. Nachdenklich drehte er sein leeres Glas zwischen den Fingern und fuhr fort: “Ich konnte kein einziges Wort englisch und habe mich ständig halb zu Tode gefürchtet. Und das Erste, was mir die anderen Kinder beibrachten, waren natürlich Schimpfwörter. Von daher bekam ich immer eine Menge Ärger. War ja lustig - für sie”, er lachte wider Willen auf und schnaubte: “Meine Eltern haben einen kleinen Lebensmittelladen und wollen unbedingt, dass ich ihn übernehme. Zwei meiner Schwestern würden das übrigens liebend gerne tun, aber nein, sie haben sich auf mich versteift. Dass ich Steinbildhauer geworden bin, ist für sie immer noch eine furchtbare Katastrophe. Sie halten es für frivol und wenig ernsthaft, teils gotteslästerlich und und und …”
Er seufzte und betrachtete die leuchtende Skyline: “Wahrscheinlich finden sie,, dass ich ihre Mühen weggeworfen habe, undankbar bin. Es war nicht einfach für sie hier, ist es manchmal immer noch nicht … Wie ist deine Familie so? Würden sie es akzeptieren, wenn du naja … aus der Art schlägst?”
Nach und nach neigte sich ihre Raumkapsel, wie Ferit sie getauft hatte, wieder erdwärts. Die halbe Stunde Fahrt war fast um. Auf der einen Seite war der junge Weltenbummler erleichtert - und auf der anderen Seite hätte er auch noch weitere dreißig Minuten auf dem High Roller verbringen können, jetzt, wo er seinen Mut zumindest ansatzweise gefunden hatte. Er prostete Gareth mit seinem leeren Glas zu und murmelte: “Danke … ich finde dich nicht durchgeknallt. Jedenfalls nicht auf eine negative Art und Weise.”Er legte nachdenklich die Stirn in Falten, fuhr sich durch die Haare und gestand mit den Händen fuchtelnd: “Darüber habe ich mir nie wirklich Gedanken gemacht, Gar. Alles, was ich wollte, als ich hierher kam, war einfach mal … weg zu sein. Mir einen Moment lang erlauben, etwas anderes als pflichtbewusst und verantwortungsvoll zu sein. Mir keine Gedanken um meine Familie oder irgendwelche Imame und was verboten oder erlaubt ist, zu machen. Wörter wie Sünde und Gefahr aus meinen Gedanken zu verbannen..”
Ferit verzog das Gesicht, lehnte seine Wange gegen die kühle Scheibe der Gondel und schloss die Augen. Gareth neben ihm war warm, sein Kopf dröhnte und er plauderte einfach aus dem Nähkästchen. Wohl ein Beweis dafür, dass der flüssige Mut bei ihm eindeutig wirkte.
“Ich denke also, dass Freiheit für mich die Abwesenheit jener Regeln und Grenzen ist, die ich noch nie verstanden habe und nie verstehen werde. Meine Eltern haben sich redlich bemüht, sie mir in meinen Holzkopf zu prügeln - aber, nun ja, hier sitze ich!”, schloss Ferit aus seinen Überlegungen und grinste schief.
Ferit nickte verstehend, als Gareth ihm die Beschreibung eines Greifen lieferte.
“Interessant … Klingt ähnlich wie Anzu, der stammt aus Mesopotamien, also dem alten Orient. Aber die Sumerer glaubten, dass er ein Fledermausgesicht habe. Und du … fühlst dich mit diesen mythischen Wesen verbunden, ja? Es passt zu dir, denke ich. Wer sich aus einer Kanone abschießen lässt, muss wohl fliegen können. Allerdings frage ich mich bei dir …”, Ferit legte den Kopf schief, musterte Gareth von oben bis unten und grinste: “... nur mal angenommen, so ganz theoretisch - und du wärest tatsächlich ein Greif? Wie groß wärst du? Du bist ja jetzt schon ein Riese!”
Die Spielzeugstadt kam langsam wieder näher, als sie sich dem Erdboden näherten, wandelte sich wieder in eine Metropole. Die kleinen Figürchen wurden wieder zu echten Menschen, die tanzten, feierten und laut durcheinander riefen, während sie aus der Gondel ausstiegen. Ferit hielt sich leicht schwankend an Gareth fest und begann nun doch, etwas zu zittern. Die Anspannung, unter der er anscheinend doch noch immer gestanden hatte, fiel langsam von ihm ab und ihn fröstelte.
“A propos flüssiger Mut: Ich sage zu einem weiteren Cocktail bestimmt nicht nein, aber ich glaube, den braucht Max dringender - ich wage zu bezweifeln, dass er ein Goldkehlchen hat! Ich würde sogar mit dir wetten!”
Ferit lachte ungewohnt gehässig und dreckig auf, doch seine heitere Miene umwölkte sich recht schnell auf genau die finstere Art und Weise, wegen der ihm die Leute in aller Regel schleunigst aus dem Weg gingen. Er konnte weder Max noch Claire in den Menschenmassen finden, die den High Roller umgaben.
“Ah, sieht so aus, als käme der Feigling davon! Verräter! Er hat sich mit Claire aus dem Staub gemacht. Naja, dann ist es wenigstens nicht unser Problem, wenn sie sich gegenseitig die Köpfe einschlagen”, knurrte er und setzte konzentriert einen Fuß vor den anderen. Die frische Luft, die ihn umgab, sorgte dafür, dass der Cocktail, den sie sich eben noch gegönnt hatte, seine Wirkung voll entfalten konnte.
“Uff …”, stöhnte er gequält auf, nur um kurz darauf überdreht zu kichern, als er sich gegen eine hell erleuchtete Hauswand lehnte. Kleine Motten flogen in die Lichtkegel, blieben dort orientierungslos hängen oder verglühten. Mit melancholischer Miene sah Ferit diesem Schauspiel zu, nahm seinen Hut ab und murmelte leise:
“Ich glaube, ich bin eine Motte. Ich könnte frei umherfliegen, so, wie ich es will, aber mein Navigationssystem ist so gestört, dass ich doch immer irgendwo hängen bleibe. Haben Greifen eigentlich solche Schwächen? Versuchungen?”, fragte er und setzte Gareth seinen Hut auf. Wenn sie sich schon über übernatürliche Phänomene und Hypothetisches unterhielten, musste er immerhin wissen, wo ihre jeweilige Achillesferse lag.
Ferit stieß sich von der Hauswand ab, rückte den Hut mit kritischem Blick auf Gareths Gesicht zurecht und meinte mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht:
“So, passt. Wo gehen wir hin? Wir haben kein Opfer mehr für die Karaokebar, abgesehen von uns selbst, natürlich.. Und tanzen kann ich mehr schlecht als recht, sieht eher nach einem Anfall aus, aber hey, es könnte einen gewissen Unterhaltungswert haben.”
Wie um seine Worte zu unterstreichen, machte Ferit ein paar tänzelnde Schritte auf ihn zu. Im Grunde genommen hatte er keine Ahnung, was er da tat und er schien noch dazu ganz plötzlich zu fühlen, wie die Erde sich drehte. Aber er war bestrebt, seine graziöse Schwester zu imitieren, die in ihrem Zimmer gerne irgendwelche esoterisch anmutenden Verdrehungen vollführte, wenn ihre Eltern das Haus verlassen hatten. Bei ihr sah es immer ziemlich leicht und elegant aus.
“Huch!”, entwich es ihm, als er ungelenk gegen Gar knallte. Für diese Aktion konnte er noch nicht einmal dem Dämon namens Alkohol die Schuld geben - Ferit hatte grundsätzlich zwei linke, viel zu kleine Füße.
“Oder … oder wir schauen uns irgendetwas Magisches an. Komm’, ich will was Verbotenes erleben, Freiheit und so …”, flüsterte er atemlos und lächelte sein geheimnisvolles Mona Lisa-Lächeln, bei dem man nie wusste, ob er einen Mord plante oder gerade nur etwas scheu war . -
Ein nachdenkliches Lächeln umspielte seine Lippen, als er Ferits Frage nach seiner Familie aufgriff. "Weißt du.", begann er langsam „ich hatte immer das Glück, dass meine Familie ... naja, besonders ist. Und ich meine das im besten Sinne."
Er drehte sich zu Ferit und fuhr fort: "Die Leute im Zirkus sind eine riesige, bunte Gemeinschaft, in der jeder seinen Platz hat, egal wie verrückt oder ungewöhnlich seine Träume auch sind. Und meine Eltern? Die haben mir von Anfang an beigebracht, dass es keinen falschen Weg gibt, solange du ihn mit Herz und Überzeugung gehst." Gareth lachte leise in sich hinein und schüttelte den Kopf. "Ich glaube, für sie war es nie wichtig, was ich tue, sondern wie ich es tue. Solange ich glücklich bin, solange ich mich nicht selbst verliere – dann stehen sie hinter mir, egal, was passiert."Ein Hauch von Stolz blitzte in seinen grauen Augen auf, als er weiterredete. "Wenn ich morgen beschließen würde, meine Haare grün zu färben und als Straßenkünstler durch die Welt zu ziehen, würden sie mich dabei unterstützen. Wenn ich sagen würde, ich will das Zirkusleben an den Nagel hängen und stattdessen einen Buchladen eröffnen, wären sie wahrscheinlich die Ersten, die vorbeikommen und einen Stapel Bücher kaufen." Mit einem schelmischen Grinsen fügte er hinzu: "Also, wenn ich mal aus der Art schlagen sollte, dann höchstens, weil sie es mir beigebracht haben."
Gareth konnte sich das Lachen kaum verkneifen, als Ferit ihm mehr oder weniger unabsichtlich gegen die Brust stieß. Mit einem amüsierten Grinsen legte er die Hände auf Ferits Schultern, um ihn wieder ins Gleichgewicht zu bringen. "Alles gut, du kleine Motte.", neckte er ihn und tippte ihm spielerisch auf die Nase. "Pass besser auf, dass du dich nicht an der falschen Glühbirne verbrennst. Nicht jede Verlockung ist die richtige." Er grinste, ganz so, als wollte er ihn herausfordern heraus zu finden, wie viel Hitze er ertragen könnte.Er ließ Ferit los, zog den Hut ein wenig schief auf seinem eigenen Kopf zurecht und musterte ihn mit einem theatralischen Stirnrunzeln. "Verbotenes und Magisches, huh? Klingt nach einem Plan. Wobei ich nicht sicher bin, was genau für dich 'verboten' ist – ein weiteres Getränk, eine veruchte Kartenlegerin in einer zwielichtigen Seitengasse oder eine ungeschickt plazierte Wette ...." Er sah ihn fragend an.
Gareth machte eine ausladende Bewegung, als wolle er die ganze Stadt in den Plan einbinden. "Vegas hat alles. Also, was soll's sein? Wir könnten eine verrückte Zaubershow anschauen oder in einen dieser seltsamen, unterirdischen Clubs abtauchen, die aussehen, als gehörten sie in eine andere Welt. Vielleicht finden wir auch einen Hypnotiseur, der dich dazu bringt, das Tanzbein zu schwingen – ohne dass es wie ein Anfall aussieht." Gar grinste und fügte dann hinzu: "Ich bin auf jeden Fall für alles offen. Vegas ist schließlich der Ort, an dem du so ziemlich alles ausprobieren kannst, ohne dich dafür zu schämen."Er nahm Ferit sanft am Arm und zog ihn von der Hauswand weg, wo die Motten weiterhin ihre chaotischen Tänze aufführten. "Aber erst mal sollten wir sicherstellen, dass du nicht irgendwo hängen bleibst, während du versuchst, elegant durch die Straßen zu stolpern." Sein Ton war freundlich, fast schon beschützend, aber mit dem gewohnten Gareth-Schalk in den Augen.
Während sie langsam durch die belebten Straßen von Vegas schlenderten, warf Gareth einen Blick auf die unzähligen Leuchtreklamen und blinkenden Schilder um sie herum. "Weißt du, Ferit.", begann er nachdenklich, "du hast mich vorhin gefragt, ob Greifen Schwächen oder Versuchungen haben. Und ich schätze, die Antwort ist: ja. Selbst wir, mit all unserer Stärke und Freiheit, können nicht alles haben. Es gibt immer etwas, das uns in Versuchung führt oder uns zurückhält. Greifen haben eine unheimliche Sammelleidenschaft. Die sind fast wie übergroße Elstern."
Er schob den Hut ein Stück höher, sodass seine grauen Augen im Licht der Neonreklamen auffunkelten. Er klopfte Ferit leicht auf die Schulter und deutete auf ein Schild, das auf eine Wahrsagerin hinwies, die scheinbar hinter einem der Gebäude ihren Laden hatte. "Was meinst du? Wollen wir uns etwas magisches anschauen? Vielleicht lernen wir was Neues über unsere Zukunft." Mit diesen Worten war er bereits rückwärts in die Gasse abgebogen ohne Ferits dabei aus den Augen zu lassen. "Komm schon!" er breitete seine Arme aus und sah Ferit auffordernd an. -
“Alles!”, sagte Ferit etwas zu laut, rieb sich die Nase und stützte sich breit grinsend mit den Händen auf Gareths Schultern ab. “Alles von dem, was du gerade aufgezählt hast, ist verboten! Ich sollte noch nicht einmal hier sein, an einem Ort an dem Glücksspiel, Trunksucht und jedes Laster dieser Welt so hoch gefeiert werden.”
Doch trotz seines Geständnisses ließ er sich bereitwillig von Gar durch das flirrende Meer von Leuchtreklame, Lichtverschmutzung und feiernden Menschen führen. Er schlang einen Arm fest um Gareths Hüfte und setzte langsam einen Fuß vor den anderen. Die kleinen Motten scharten sich noch immer emsig um die hell leuchtenden Lichter, flogen um Laternen und Werbeschilder herum, bis sie vor lauter Erschöpfung als leichte Beute auf dem Boden landeten. Ferit riss sich von dem traurigen Spektakel los und schenkte Gar wieder seine volle Aufmerksamkeit. Sicher würde er ihn davor bewahren, in seinem Wahn und seiner Gier nach Gefahr und dem lebendigen Gefühl, das diese ihm bescherte, einfach zertreten oder gefressen zu werden wie die Nachtfalter zu ihren Füßen.
“Eine Sammelleidenschaft …”, murmelte er in seiner üblichen, eher leisen, kratzigen Stimme, “Wie soll ich mir das vorstellen? Musst du zwanghaft alles besitzen, was glänzt? Klaust du mir im Laufe des Abends die Brille von der Nase und ich muss mir einen Blindenhund suchen?”
Er musterte ihn interessiert, griff mit neckischem Grinsen an die Hutkrempe und zog seine Fedora, die gerade eben noch lässig schief auf Gareths Kopf thronte, wieder gerade.
“Sammelst du betrunkene Idioten ein und steckst sie in Einmachgläser? Oder spießt du etwa kleine, orientierungslose Motten mit spitzen Nadeln auf Korkuntersetzer?”
Ferit warf ihm einen übertrieben panischen Blick zu und streckte ihm seine Zunge heraus. Dann verbarg er sein Gesicht in seiner freien Hand und hauchte mit theatralischer Grabesstimme: “Oder … Oh nein, sag’ mir nicht, dass du Briefmarken sammelst.”
Der junge Weltenbummler wusste selbst nicht so genau, warum ihm ausgerechnet Briefmarken so lächerlich vorkamen. Vielleicht verband er sie unbewusst mit alten, langweiligen Opas, die mürrisch und schimpfend hinter gehäkelten Vorhängen saßen und die Jugend von heute verfluchten. Er versuchte, sich Gareth mit Spazierstock und verkniffenem Gesicht vorzustellen, doch scheiterte glorreich daran. Das Einzige, was dieses missratene Bild bei ihm hervorrief, war ein äußerst belustigter Blick auf Gareths Gesicht und ein kleiner Lachanfall.
Kurz stand Ferit etwas orientierungslos auf der Straße - anscheinend hatte er sich bereits daran gewöhnt, dass Gareth ihn durch das nächtliche Vegas schob. Er legte den Kopf in den Nacken und begutachtete das Schild kritisch, auf das er ihn aufmerksam gemacht hatte. Zwischen all der Leuchtreklame wirkte es unscheinbar und altbacken. Eine geschwungene Schrift, in warmweißes Licht getaucht.
“Oder wir ruinieren unsere Seele so sehr, dass sie noch nicht mal der Sheitan haben will!”, kommentierte Ferit halb scherzend und halb ernst und folgte Gar wie ein treudoofes, betrunkenes Hündchen in die kleine Gasse.
Das kleine, schiefe Häuschen, vor dem sie standen, passte nicht wirklich nach Vegas. Die schmucken Laternen und Lämpchen, die auf efeubewachsenen Fensterbänken flackerten, wirkten anheimelnd. Die verwitterte Holztür stand offen und unter ihnen offenbarte sich eine nicht allzu steile Wendeltreppe, die wohl in ein düsteres Kellergewölbe führte. Alles in allem erweckte das gesamte Haus den Eindruck, als ob hier entweder eine nette Dame ihr Geschäft haben könnte, die ihnen Gebäck und heiße Schokolade anbot - oder eine fiese Zauberin, die sie zum Frühstück verspeisen wollte. Ferits betrunkenes Gehirn beschloss, mit letzterem zu rechnen. Er schob Gar bestimmt hinter sich und schnappte sich seine Hand während er schwankend einen Fuß auf die erste Stufe setzte: “Bleib’ hinter mir … wer weiß, was da unten wirklich ist”, raunte er unheilvoll, während er sich am Geländer festklammerte und den holprigen Abstieg begann.
Natürlich hatte er sich völlig umsonst zum Beschützer aufgespielt, denn am unteren Ende der Treppe wartete lediglich eine ältere, freundlich lächelnde Dame, deren blau getönte Brillengläser noch dicker als Ferits waren. Sie trug einen sehr bunten Patchworkrock und an ihren Fingern steckten so viele klimpernde Silberringe, dass Ferit sie kaum zählen konnte.
“Sieht nicht sehr verrucht aus”, flüsterte er in Gareths Ohr, als sie sich ihnen näherte. Der niedrige Raum, in dem sie sich befanden, roch nach Räucherstäbchen und war durch Lampions und Kerzen sehr spärlich beleuchtet. Er besaß nicht viel Mobiliar, lediglich einen runden Holztisch und ein paar Hocker, die auf schweren Teppichen standen. Ferit fühlte sich jetzt schon ganz schwummrig und kam für sich zu der Erkenntnis, dass es sich bei der Dame bestimmt um eine Scharlatanin handeln würde.
“Sie legen … Karten?”, fragte er an die Frau gewandt, die sich ihnen als “Rita Hawthorne” vorstellte. Wahrsagerin und Medium anscheinend, auch, wenn Ferit nicht klar war, was hier der entscheidende Unterschied sein sollte.
Seinem skeptischen Blick und seiner gerunzelten Stirn begegnete sie mit einem weichen Lächeln und einer derart rauchigen Stimme, dass Ferit ihr automatisch das Label “Kettenraucherin” verpasste.
“Kommt herein, meine Täubchen, nur nicht so schüchtern …”, gurrte sie, während sie mit einer schwer beringten Hand wedelte. Ihre zahlreichen Armreifen schlugen mit einem metallischen Klirren aneinander und ihre Brillengläser leuchteten geheimnisvoll im Kerzenlicht. Mit einem amüsierten Blick auf Ferits grimmige Miene und den festen Griff, mit dem er Gareths Hand festhielt, fügte sie an ihn gewandt hinzu: “Keine Angst, ich werde deinen hübschen Freund nicht fressen - dazu ist er viel zu begierig, seine Zukunft zu erfahren, stimmt’s?” Sie wuselte um den kleinen Tisch herum, auf dem ein reich verziertes Kartendeck und eine Reihe funkelnder Edelsteine lagen und bedeutete ihnen, sich zu setzen. Ferit ließ Gars Hand los und flegelte sich breitbeinig auf einen der niedrigen Hocker. Insgeheim war er für die Sitzgelegenheit dankbar, denn sein Kopf dröhnte unangenehm. Doch die Dame kam ihm schmierig, irgendwie unsympathisch vor - noch nicht einmal der Alkohol konnte diese Gedanken vertreiben. Anscheinend hatte sie sich Gareth als ihr erstes Opfer ausgesucht, denn sie griff nach seiner Hand, legte sie auf das Kartendeck und sagte leise, während sie ihn durchdringend musterte: “Also, mein Täubchen … oder sollte ich lieber Adler mit dem Löwenherz sagen, hm? Du musst die achtundsiebzig Karten selbst mischen, das kann ich nicht für dich tun … Dann stelle dir eine Situation, eine Frage vor, auf die du eine Antwort haben willst und breite die Karten verdeckt aus. Anschließend ziehst du vier Karten und legst sie vor dich.”
Ferit beobachtete, wie Gareths lange, schlanke Finger über die im Kerzenlicht glänzenden Karten huschten und er vier davon mit einer lässigen Bewegung vor sich ablegte.
Rita verfolgte seine Bewegungen mit leuchtenden Augen und nicht zum ersten Mal fragte Ferit sich, ob sie nicht doch mehr war, als eine freundliche, ältere Dame, die nur zufällig Hexenwerk betrieb. Er setzte sich aufrechter hin, verließ seine dahingeflegelte Position, was seinen Kopf zum Schwingen brachte und rückte näher an Gar heran.
“Immer noch so misstrauisch, mein Täubchen?”, fragte die Wahrsagerin und deckte Gareths erste Karte auf. “Ich bin kein Täubchen”, murrte Ferit undeutlich, mit finsterem Gesicht, während die Silben etwas verwaschen ineinander liefen. Dass er betrunken war, minderte sein Misstrauen bezüglich für ihn okkulten Praktiken nicht sonderlich, aber es sorgte dafür, dass er seine Scheu vor Berührungen gänzlich verloren hatte. Mit gerunzelter Stirn tauchte er unter Gareths Arm durch und starrte die Karte so intensiv an, dass es ein Wunder war, dass sie nicht Kraft seiner Gedanken in Flammen aufging.
“Nein, das bist du nicht”, seufzte die ältere Dame kryptisch und wandte sich mit einem geheimnisvollen Lächeln, das ein paar Goldzähne entblößte, wieder an Gar:
“Der Narr - er ist dein Ausgangspunkt und symbolisiert jugendliche Unwissenheit und Sorglosigkeit. Du machst dir nicht viele Gedanken darum, was andere von dir halten und genau das macht auch deinen Charme aus. Die zweite Karte ist unwichtig für dich, mein Lieber. Was auch immer sie dir sagt, gilt es weder zu befürchten, noch zu erhoffen.”
Ferit lehnte seinen Kopf leicht an Gareths Brust und flegelte sich wieder in seine ursprüngliche, nonchalante Haltung, als Rita die zweite Karte aufgedeckte.
“Simple Psychologie … deine Zukunft sieht düster aus!”, murmelte er Gar leutselig grinsend ins Ohr und griff nach der dritten Karte. Rita jedoch klopfte ihm auf die Finger und setzte zu einer neuen Erklärung an: “Ganz und gar nicht, kleiner Skeptiker.” Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Gareth und fuhr fort: “Als zweite Karte hast du den Magier - Er steht für Selbstvertrauen und den unbedingten Willen, selbst Unmögliches möglich zu machen. Doch dies ist eine Eigenschaft, die du bereits von dir weißt. Wie gesagt, beachte die zweite Karte einfach nicht.”
“Warum muss er sie überhaupt ziehen, wenn sie so unnötig ist?”, fragte Ferit, bekam jedoch keine Antwort von Rita. Wahrsagerin, Medium, Möchtegern-Satanistin … was auch immer. Allmählich begann ihm die ganze Sache Spaß zu machen und er wartete geduldig ab, bis sie auch die weiteren zwei Karten für Gareth gelegt hatte.
Laut Rita war die dritte Karte die Wichtigste. Gareth bekam die zwei Kelche, welche für eine wichtige Begegnung und das Klären von Gefühlen standen. Als vierte Karte erhielt er das Rad des Schicksals, das ihm angeblich zeigen sollte, wie die Zukunft denn nun für ihn aussehen sollte. Rita salbaderte noch eine ganze Weile darüber, wie das Rad für Neugier und Abenteuerlust stand, aber auch die Notwendigkeit, mit schwierigen Herausforderungen im Leben und seinen zwischenmenschlichen Beziehungen fertig zu werden. Dabei schenkte sie Ferit, der sich vor sich hin dösend gegen Gareths Brust gelehnt hatte, ein hintergründiges Lächeln.“Ich sag’s ja. Es sieht düster aus. Du bist ein naiver Clown, der mit dem Kopf durch die Wand will, keinen Plan von seinen Gefühlen hat und vor einem Berg an herausfordernden Menschen steht”, murmelte Ferit mit halb geöffneten Augen und piekste mit seinem Zeigefinger wie zur Bestätigung in Gars Bein.
“Richtig interpretiert?”, fragte er die Wahrsagerin in herausforderndem Tonfall und setzte sich etwas aufrechter hin. Seinen Platz auf dem Hocker hatte er zugunsten des weichen, flauschigen Teppichs verlassen.
“Jetzt bin ich dran. Sagen Sie mir, ob ich in die Dschahannam muss! Oh, wissen Sie eigentlich, dass Edelsteine keine Heilwirkung haben? Und auch keine bösen Geister fernhalten können? Wenn Sie damit gegen einen Ifrit antreten wollen, sind Sie geliefert. Aber … hübsch sind sie!”, lobte er die kunstvoll zurecht geschliffenen Figürchen aus Labradorit, Amethyst, Rosenquarz, Aventurin und Karneol, die auf dem kleinen Tischchen thronten. Erwartungsvoll musterte er die Hellseherin und lehnte sich wieder zurück.
“Bist bequemer als der Hocker!”, bot er Gar als Entschuldigung für sein Benehmen an. -
Arm in Arm setzten sie ihre Reise durch Vegas fort. Die Neonlichter der Stadt warfen bunte Muster auf ihre Gesichter, während sie durch die pulsierenden Straßen schlenderten. Die nächtliche Hitze mischte sich mit dem kühlen Lüftchen, das gelegentlich von den Klimaanlagen der offenen Läden herüberwehte. Um sie herum herrschte ein lebhaftes Chaos – Straßenkünstler jonglierten mit brennenden Fackeln, Musiker spielten rhythmische Melodien, und die Stimmen der Menschen vermischten sich zu einem melodischen Summen, das nur in Vegas möglich war.
Gar lachte „Hey! Mein Großvater hat Briefmarken gesammelt … und sich dann irgendwann mit dem Erlös abgesetzt … - zack – von einem Tag auf den anderen war er weg …“, seine Stimme wurde zum Ende des Satzes hin immer nachdenklicher, ganz so, als ziehe er es tatsächlich in Erwägung seine Sammelleidenschaft in Zukunft auf Briefmarken zu fokussieren. Der dachte kurz nach und sagte dann „Aber … eh … nein …. Ich sammel Comics.“ Er machte eine kurze Pause und fügte dann hinzu. „Aber ich sollte definitiv mit dem sammeln betrunkene Idioten anfangen!“ Er grinste und zog Ferit etwas näher an sich heran.
Vor dem Laden angekommen, betrachteten sie die Fassade, die aus der Umgebung regelrecht herausstach. Gar legte den Kopf schief. „Wie … ein Hexenhaus.“ Stellte er fest und warf Ferit einen Seitenblick zu. Ferit griff nach seiner Hand, was Gar kurz einen Blick auf ihre verschränkten Finger werfen ließ, bevor er den Blick wieder hob und grinste.
„Mein großer starker Krieger.“, erwiderte Gar mit leiser gurrender Stimme. „Zum Glück bist da um mich zu beschützen!“ er umarmte Ferit von hinten und drückte sich kurz ganz fest an ihn bevor er sich wieder von ihm löste.
Mutig ging Ferit voran und organisierte, mehr oder weniger, eine Sitzung für sie beide.
Ferit auf seinem Schoß wog fast gar nichts und es machte ihm nichts aus, dass er ihn als Stuhl ‚missbrauchte‘. Er leget einen Arm um den jungen Mann, während er sich weiter auf die Karten konzentrierte.
Die Wahrsagerin fuhr seelenruhig mit der Erklärung fort. Als Ferit sich an seine Schulter kuschelte gab Gar ihm wie selbstverständlich einen Kuss auf die Stirn. „Bist du müde?“, fragte er leise, fast schon gefühlsvoll, bevor er Rita weiter folgte.
Gareth konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen, als Ferit mit halbem Ernst und halbem Spott die Karteninterpretation kommentierte. Er ließ ihn gewähren – der schiefe Humor und die scharfe Zunge seines neuen Freundes waren immerhin ein großer Teil dessen, was diesen Abend so unterhaltsam machte. Gareth lehnte sich ein Stück zurück, um Ferit besser im Blick zu haben, während dieser sich anscheinend endgültig auf dem Teppich niedergelassen hatte.
„Ein Narr, ein Magier, und jetzt auch noch das Rad des Schicksals. Klingt, als hätte ich einen ziemlich vollen Terminkalender.“, sagte Gar nachdenklich und ganz so, als würde er sich schon darauf freuen. Seine grauen Augen blitzten vor amüsiertem Schalk.
Gareth richtete sich ein wenig auf, sodass er Ferit besser ansehen konnte. „Also gut, Meister Skeptiker, dann bist du jetzt dran. Leg die Karten und find heraus was dir bevorsteht.“ Gar grinste breit und fügte hinzu: „Aber keine Sorge, wenn’s düster aussieht – ich bin mir sicher, dass ich einen Platz für dich im Zirkus frei machen kann.“
Die Wahrsagerin musterte Ferit mit einem nachsichtigen Lächeln, während sich dieser auf dem Teppich fläzte. Sie ließ sich nicht von seiner skeptischen Haltung beirren, sondern nahm die Karten auf und begann sie routiniert zu mischen. „Nun … wenn man ehrlich sein darf, dann sind diese Steine alles andere als bloße Dekoration.“, sagte sie mit einem wissendem Blick. „Die genannten Edelsteine haben in der Esoterik und in spirituellen Überzeugungen verschiedene symbolische Bedeutungen und zugeschriebene Eigenschaften. Und ich denke du könntest einen Karneol gut gebrauchen.“ Sie sah von Ferit zu Gareth. „Du weißt wovon ich spreche, nicht wahr?“, fragte sie mir ernstem Blick. Gar sah sie einige Sekunden an ohne eine Miene zu verziehen. Im Zirkus hatten sie auch eine Hexe – eine echte und bei Rita glaubte er, dass auch sie eine echte Hexe war, sie roch … nach grün. Er konnte es nicht erklären. Schließlich nickte er und schaute dann zu Ferit. „Ich kenne einige Hexen persönlich.“, sagte er mit erklärendem Blick.
„Also gut, Täubchen.“, sagte sie mit ihrer rauchigen Stimme, an Ferit gewandt, während sie das frisch gemischte Kartendeck vor ihm auf den Tisch legte. „Mische die Karten, denke dabei an eine Frage – etwas, das dir wirklich am Herzen liegt. Deine Zukunft wird sich in diesen Karten spiegeln, ob du es willst oder nicht.“
Die Wahrsagerin beobachtete mit einem unergründlichen Lächeln, wie Ferit das Deck mischte, bevor er vier Karten auswählte und sie mit Bedacht vor sich auf den Tisch legte. Die dicken Kerzen warfen flackernde Schatten auf die Verzierungen des alten Kartendecks, und es schien, als hielte der Raum den Atem an. "Nun gut, mein Täubchen. Lass uns sehen, was das Schicksal dir zu sagen hat", begann Rita und strich mit einer ihrer beringten Hände über die Karten, murmelte leise etwas, das wie eine Mischung aus Gebet und Zauber klang. Schließlich drehte sie die erste Karte um.
„Ah, die Liebenden.“, sagte sie mit einem leichten Lächeln. „Diese Karte ist keine Überraschung. Sie steht für eine Entscheidung – und nicht irgendeine, sondern eine, die dein Herz betrifft. Bald wirst du vor einer Wahl stehen, Ferit. Eine Wahl, die dir nicht leichtfallen wird. Sie könnte gegen alles gehen, was du bisher für richtig gehalten hast, aber sie wird deine Welt verändern.“ Sie sah Ferit mit einer Mischung aus Sanftheit und Ernst an. „Diese Karte sagt, dass du den Mut finden musst, deinem Herzen zu folgen, egal was andere von dir erwarten.“Gareth hob amüsiert die Augenbrauen und grinste breit. „Klingt, als ob du bald auf ein Abenteuer der Liebe gehst, Ferit.“
Ihre Augen glitzerten im Kerzenlicht, während sie die zweite Karte umdrehte. Rita runzelte leicht die Stirn. „Der Hierophant.“, erklärte sie, „steht für Tradition, Familie, Glauben. Diese Karte zeigt, dass deine Wurzeln – deine Familie, deine Vergangenheit – in naher Zukunft eine große Rolle spielen werden. Sie werden versuchen, dich zu beeinflussen, vielleicht sogar zurückzuhalten. Aber denk daran, Täubchen: Der Hierophant ist auch ein Lehrer. Was immer sie dir auferlegen, sie haben dir auch Stärke und Wissen gegeben. Die Herausforderung wird sein, ihre Werte zu respektieren, ohne dich selbst zu verlieren.“ Mit einer langsamen, dramatischen Bewegung drehte Rita die dritte Karte um.
„… wieder das Rad des Schicksals.“, sagte sie mit einem Hauch von Ehrfurcht in ihrer Stimme. „Dies ist die Karte des Wandels, der unvermeidlichen Veränderungen. Es zeigt, dass das Universum in Bewegung ist und Ereignisse kommen werden, die du nicht kontrollieren kannst. Doch jede Veränderung, so erschreckend sie auch wirken mag, ist eine Chance.“ Sie hielt inne und lächelte. „Für dich, Ferit, ist dies ein Zeichen, dass du den Sprung wagen musst. Das Leben wird dich an einen Ort führen, den du niemals erwartet hättest – vielleicht sogar an einen Ort, an dem du dich frei genug fühlst, um das zu tun, was dein Herz dir befiehlt.“
Rita ließ diese Worte wirken, bevor sie sich der vierten und letzten Karte zuwandte. Mit einer bedächtigen Bewegung drehte sie sie um und enthüllte ‚Die Sonne‘.
Ihr Lächeln wurde weicher, fast liebevoll. „Die Sonne. Eine der schönsten Karten im Deck. Sie steht für Freude, Freiheit und Erfüllung. Was auch immer deine Wahl sein mag, wenn du ihr treu bleibst und den Mut findest, für dich selbst einzustehen, wirst du Licht und Wärme finden. Diese Karte sagt mir, dass am Ende des Weges Glück auf dich wartet – aber nur, wenn du bereit bist, die Dunkelheit zu durchschreiten, die dich bis dahin begleiten wird.“
Rita lehnte sich zurück und ließ ihre Worte wirken. Der Raum schien stiller als zuvor, die Kerzen flackerten, während Rita die Karten betrachtete. Sie verschränkte die Hände unter ihrem Kinn und sprach mit sanfter, aber bestimmter Stimme: „Du wirst bald vor einer Entscheidung stehen, die dein ganzes Leben verändern wird, mein Lieber. Sie wird dich zu deinem wahren Selbst führen – oder dich daran hindern, frei zu sein. Und ich sehe … eine Vereinigung. Etwas, das so mächtig ist, dass es alte Regeln brechen und neue schaffen wird. Doch diese Vereinigung wird nicht ohne Widerstand bleiben. Du wirst Mut brauchen. Viel Mut.“
Sie sah Ferit direkt in die Augen. „Die Liebenden, der Hierophant, das Rad des Schicksals, die Sonne. Dein Schicksal ist klar, wenn du den Mut findest, ihm zu folgen. Es wird nicht leicht sein. Aber am Ende, Täubchen, wird es sich lohnen.“
Dann lehnte sie sich mit einem wissenden Lächeln zurück und ließ Ferit mit ihren Worten und den Karten allein. -
Auf Ferits Gesicht breitete sich ein kleines, seliges Lächeln aus, als Gar ihn sanft auf die Stirn küsste. Es war selten, dass er so fürsorglich behandelt wurde und gerade fiel es ihm so leicht, es einfach anzunehmen und sich darüber ohne Scham zu freuen. Und obwohl er wusste, dass Gareths kleines Geplänkel an der Treppe bestimmt eher scherzhaft gemeint war, so hatte es doch nicht seine Wirkung verfehlt. Ferit würde lügen, wenn er behauptete, dass ihm seine Kommentare und die kurze Umarmung nicht gefallen hätten. Sie hatten ein angenehmes, kribbelndes Gefühl in seiner Magengegend ausgelöst, eines, das er gehofft hatte zu fühlen, als er Deborah vor sieben Jahren verbotenerweise hinter der Sporthalle ihrer High School geküsst hatte. Stattdessen hatte es sich furchtbar klinisch angefühlt. So, als würde er sich selbst bei einem verrückten Sozialexperiment in absolut steriler Umgebung beobachten. Dass sie sich dabei gegenseitig peinlich berührt in die weit aufgerissenen Augen gestarrt hatten, hatte das Ganze nicht besser gemacht. Es war so seltsam gewesen, dass Ferit sich währenddessen gefragt hatte, wann irgendein Tierfilmer mit gezückter Kamera und fachmännischem Gesichtsausdruck um die Ecke schleichen und in salbungsvollem Tonfall ungefähr Folgendes sagen würde: “Meine Damen und Herren, hier können Sie zwei Jungtiere der Gattung homo sapiens aus sozial und religiös repressiven, sowie sehr seltenen Rudeln bei dem kläglichen Versuch, auch nur annähernd normales Balzverhalten zu imitieren, sehen. Aufgrund ihrer peinlich genau zur Schau gestellten Ungeschicklichkeit, müssen wir leider davon ausgehen, dass der Fortbestand beider Rudel dauerhaft gefährdet ist. Welch trauriges Ende für die seltene Subspezies Homo ignorantus religidiotus der Gattung Homo sapiens! Bitte zündet eine Kerze an.”
Das einmalige Experiment hatte damit geendet, dass Ferit sich die kommenden Jahre fragte, was mit ihm nicht stimmte. Insbesondere nachdem Zac mit Debie, wie sie jetzt genannt werden wollte, zusammengekommen war und ihm praktisch pausenlos und grauenvoll detailreich vorschwärmte, was für ein fantastisches Mädchen sie doch sei.
Jetzt und hier, als er sich in trunkener Glückseligkeit an Gar schmiegte und Rita ihm mit großer Ernsthaftigkeit seine Karten offenbarte, bekam er eine diffuse Ahnung, was mit ihm ganz falsch gelaufen war und sich dennoch viel zu gut anfühlte. Anstatt sofort in eine Sinnkrise zu rutschen, seufzte er nur zufrieden und murmelte: “Hmmm … aber nicht zu müde, um noch irgendwelche unterirdischen Clubs mit meinen zwei linken Füßen unsicher zu machen …”
Ferit war sich nicht sicher, ob Gareth wirklich eine Hexe kannte, oder er ihn veräppeln wollte - doch es kümmerte ihn im Moment auch nicht wirklich. Immerhin ließ er sich gerade von einer die Zukunft voraussagen.
“Wen du nicht alles kennst … Greifen, Hexen, steinreiche Onkel …” Er gab Gareth einen spielerischen Klaps auf den Oberarm und schenkte Rita ein träges Grinsen, das sich schnell zu einem Stirnrunzeln wandelte, als sie seine Karten aufdeckte und mit ihrer Interpretation begann. Ferit konnte es nicht verhindern, er zuckte kaum merklich zurück, als sie sein Herz, seine Gedanken so eloquent sezierte. Mit den Karten an sich konnte er gar nichts anfangen, er kannte sich kein bisschen mit ihrer Bedeutung aus. Doch was Rita ihm zu ihnen sagte, ließ ihn erblassen. Sie schien Aspekte seiner selbst, seiner Kindheit, seiner Vergangenheit, seiner Sehnsüchte zu kennen, über die sie eigentlich gar nicht Bescheid wissen konnte. Und über die er nie hatte nachdenken wollen - bis zu seinem rebellischen Trip nach Vegas, bis er Gareth traf und mit ihm loszog, um das Fürchten zu lernen. Doch stattdessen hatte er feststellen müssen, dass ihn viel mehr seine Neugier und Abenteuerlust beherrschten, als seine Ängste.
“Ich weiß nicht, was ich tue, dass Sie so genau über mich Bescheid wissen, Miss”, krächzte er schwach. Seine dunklen Augen glitten unfokussiert über die Karten. Hexenwerk oder simple Psychologie? Ferit wusste es selbst nicht mehr und falls es nur Psychologie sein sollte, so müsste es ihn erschrecken, dass jeder, der ein bisschen geübt war, ihn offenbar lesen konnte wie ein offenes Buch.
“Aber ich habe nicht vor, weiterhin in einem immer enger werdenden Netz aus Regeln und Verboten und in vollkommener Dunkelheit zu wandeln, mit niemandem außer meinen Zweifeln als Begleiter. Das allein … ist für mich Abenteuer und Befreiung genug”, wisperte er leise, aber nachdrücklich. Er warf einen skeptischen Blick auf den Karneol, der zu einer orangeroten, glänzenden Flamme geschliffen auf dem niedrigen Holztischchen stand. Dann bedankte er sich bei Rita Hawthorne für ihre Zeit, rappelte sich hoch und streckte Gareth seine Hand hin, um ihm aufzuhelfen. Das Blut rauschte laut in seinen Ohren, als er leicht schwindelig die gewundene Treppe Stufe um Stufe erklomm und Gar hinter sich herzog. Ferit hatte sich einfach geweigert, seine Hand loszulassen. Er hielt sie fest, aber nicht so fest, dass Gareth sich nicht aus seinem Griff hätte lösen können. Wenn er schon mutig sein sollte, so konnte er damit gleich beginnen, während sie sich dem pulsierenden Leben Las Vegas’ Stufe um Stufe näherten. Der junge Weltenbummler wagte es nicht, sich umzudrehen. Ihn hatte eine völlig irrationale Angst befallen, dass Rita Gar sonst einbehalten könnte, ganz so, als ob sie Hades persönlich sei.
Erst, als sie wieder auf den belebten Straßen der Stadt standen und ein Mann auf unglaublich hohen Stelzen über ihren Köpfen hinwegspazierte und der Lärm tausender Stimmen und von sehr basslastiger Musik zu ihnen durchdrang, sah er sich nach seinem neuen Freund um.
“Sie ist etwas gruselig, oder?”, fragte er Gareth mit einem atemlosen Lächeln in seinem runden Gesicht, als er sich bei ihm unterhakte und etwas wackelig auf den Beinen und mit glänzenden Augen die Umgebung bewunderte. Obwohl Ferit müde war, wollte er dennoch weiterziehen und mehr sehen, mehr erleben.
“Du hattest … unterirdische Clubs aus einer anderen Welt erwähnt. Weißt du, ich kenne mich damit nicht aus, dafür war Claire die Expertin, aber … ich weiß, dass “The Triple Down” Punk spielt, vielleicht auch Metal. Wir müssten ziemlich lange laufen, aber es wäre eine andere Welt”, sprudelte es aus ihm hervor.
“Es wäre wild, schnell und wütend. Frei und rebellisch. Musik, die brutal an deinen Eingeweiden zerrt und dir deine blutende, schreiende Seele herausreißt”, wisperte Ferit wie elektrisiert, als er sich zu Gar umdrehte und ihm die Arme um den Hals schlang.
“Gehen wir hin!”, forderte er ihn auf. Er löste einen Arm von Gars Hals und kramte in den Taschen seiner Jeans herum, bis er eine geknickte Broschüre zutage förderte.
“Damit sollten wir den Weg finden. Ich lese die Karte und du … ah … du passt auf, dass ich dabei nicht umfalle!”, nuschelte er, während er das Stück Glanzpapier auseinander faltete, seine Brille die Nase hochschob und sich in das Schriftstück vertiefte. Nach einer kleinen Weile tauchte Ferit daraus hervor, seufzte laut und gab betreten zu:
“... vielleicht müssen wir doch jemand Nettes mit einem Taxi suchen, der uns fährt. Zu Fuß bräuchten wir eine Stunde …”
Er lehnte sich schwer gegen Gar und scannte den Taxistand, der sich einige Meter vor ihnen in der Nähe eines hell erleuchteten Hotels befand, nach einer passenden Mitfahrgelegenheit ab. Ferit wollte gerade nach Gars Hand greifen und ihn mitziehen, bis ihm einfiel, warum er bei solchen Gelegenheiten selten die Initiative ergriff:
“Ah, vielleicht machst du das besser. Menschen mögen mich nicht, ich könnte was Finsteres planen, oder so … Und wenn dir das Ganze zu aufwändig ist, finden wir hier bestimmt auch einen schönen Club”, murmelte er völlig wertfrei. Einen schönen Club, in dem er nicht mehr über Rita Hawthornes Worte nachdenken musste und seinen Alkoholpegel puschen konnte, bis sich sein Kopf wieder wie weiche, rosa Zuckerwatte anfühlte …